Skulptur in Mitteldeutschland

Spätgotik bis Frühbarock

Bildschnitzer/Bildhauer, geb. um 1460 in Nörten, gest. 1531
 
BIOGRAMM
Bartold Kastrop war zu Anfang des 16. Jahr­hun­dert einer der füh­ren­den Bild­schnit­zer im Gebiet um Nörten, Nort­heim und Göt­tin­gen, der jedoch kaum über diesen regio­nal begrenz­ten Raum hinaus wirkte. Über seine Lehr­zeit und frühen Meis­ter­jahre konnte bisher wenig in Erfah­rung gebracht werden. Auf­grund der ange­ge­be­nen Signa­tur “northñ”, die an den Altären in Het­jers­hau­sen und Geismar zu finden ist, wird seine ursprüng­li­che Her­kunft im heu­ti­gen Nörten ver­mu­tet. Sein Geburts­jahr wird um 1460/65 ange­setzt, ab 1488 ist er als Neu­bür­ger mit Brauch­recht in Nort­heim anzu­tref­fen sowie er zu diesem Zeit­punkt bereits als Meister ein­ge­tra­gen war. Da er seine Künst­ler­inschrif­ten in Latein und nie­der­deutsch ver­fasste, ist es plau­si­bel anzu­neh­men, dass er zumin­dest eine Latein­schule besucht hat.
Im Jahr 1497 hei­ra­tete Kastrop in zweiter Ehe Katha­rina Heisen, mit deren Schwa­ger, dem jün­ge­ren Maler Hein­rich Heisen, er in seiner Göt­tin­ger Zeit und bis zu seinem Tod zusam­men­ar­bei­tete. So zum Bei­spiel an dem 1524 geweih­ten Hoch­hal­tarr­e­ta­bel in Göt­tin­gen, das gleich­zei­tig sein letzte Arbeit dar­stellt. Seine Werk­statt war in der heu­ti­gen Junkern-Schänke in der Bar­fü­ßer­straße in Göt­tin­gen unter­ge­bracht und muss sehr erfolg­reich gewesen sein. Hierfür steht der durch die Steu­er­ab­ga­ben nach­voll­zieh­bare, starke Anstieg seines Ein­kom­mens zu Anfang des 16. Jahr­hun­derts. Im Jahr 1531 oder 1532 ver­stirbt Kastrop und Hans Heisen über­nimmt seine Werk­statt. Lange wurde ver­mu­tet, dass es sich bei Kastrop um einen Schüler Tilmann Rie­men­schnei­ders handle, da eine gewisse sti­lis­ti­sche Ver­wandt­schaft in deren Werken erkenn­bar ist. Diese Ver­wandt­schaft muss aller­dings eher aus der gemein­sa­men süd­nie­der­säch­si­schen Her­kunft erklärt werden. Beide sind in etwa zeit­gleich ver­stor­ben und damit als Zeit­ge­nos­sen an zusehen.
Ein Blick in das Œuvre Kas­trops offen­bart, dass er vor allem Altäre im Typus des Rei­hen­al­tars anfer­tigte, also Schnitz­al­täre mit einer zen­tra­len Figur oder Figu­ren­gruppe im Mit­tel­schrein. Bei Kastrop ist es oft eine apo­ka­lyp­ti­sche Madonna auf der Mond­si­chel oder eine Mari­en­krö­nung, die durch weitere, auf­ge­reihte Hei­li­gen­fi­gu­ren im Schrein­kas­ten und in den Sei­ten­flü­geln flan­kiert wird. Aber auch Altäre mit Sze­nen­re­li­efs lassen sich unter seinen Arbei­ten finden sowie Stand­fi­gu­ren. Bei seinen Figuren ent­wi­ckelte Kastrop einen wie­der­erkenn­ba­ren Personal-Stil. So bestechen sie durch eine lieb­li­che Phy­sio­gno­mie mit einem Hang zum melan­cho­li­schen Blick: volle Gesich­ter mit hoher Stirn auf einem kurzen Hals sitzend mit leich­tem Dop­pel­kinn, lange Nasen und durch ein röt­li­ches Inkar­nat betonte Wan­gen­flä­chen. Die Haare sind meist in dicke Haar­sträh­nen mit gleich­mä­ßi­gen Locken­schwün­gen unter­teilt. Cha­rak­te­ris­tisch sind auch die abfal­len­den Schul­tern und der geschlos­sene Umriß der Kör­per­hal­tung. Die Körper- und Gewand­be­hand­lung lässt sich wie folgt beschrei­ben: Die Figuren weisen meist einen leich­ten S‑Schwung auf, der aus einem redu­zier­tem Kon­tra­post ent­steht; die Glied­ma­ßen deuten sich nur Ansatz­weise unter dem Gewand an. Die Mäntel bilden meist eine große Schüs­sel­falte vor dem Krörper, die Untergwän­der ver­lau­fen in par­al­le­len Röh­ren­fal­ten und die Säume wallen sich dras­tisch auf sowie die Mäntel sind ver­gol­det. All­ge­mein bleibt zur Stil­ent­wick­lung des Bild­schnit­zers Kastrop zusagen, dass die ersten Arbei­ten, wie der signierte Geis­ma­rer Altar von 1499, einen thü­rin­gi­schen Ein­fluss offen­ba­ren, der über seine Her­kunft und die Nähe zum Eichsfeld nach­voll­zieh­bar ist. Der Hejtershauser-Altar von 1509 zeigt den Bild­schnit­zer in der Blüte seines Schaf­fens mit eigenem, aus­ge­reif­tem Stil. Sein Spät­stil zeich­net sich aller­dings durch einen gewis­sen Sche­ma­tis­mus in der Figu­ren­be­hand­lung aus, so dass seine Figuren teil­weise for­mel­haft erstarrt wirken. Des Wei­te­ren können sti­lis­ti­sche Eigen­hei­ten der Kastrop-Werkstatt auch im all­ge­mei­nen Aufbau der Schnitzr­e­ta­bel fest­ge­macht werden. Einmal sind es die pun­zier­ten Gold­gründe mit Granatapfel- oder Pal­met­ten­mus­ter und zum anderen die Schlei­er­bret­ter aus Astwerk mit darin sit­zen­den Vögeln. Abschlie­ßend sei auf die Aus­ein­an­der­set­zung mit gra­phi­schen Vor­la­gen bei Kastrop hin­ge­wie­sen, bei denen eine Vor­liebe für die Holz­schnitte Albrecht Dürers zu erken­nen ist, die er jedoch für die Zwecke plas­ti­scher Werke frei variierte.
 
WERKE

BÜHLE

  • Dorf­kir­che:
    Pass­si­ons­re­lief (Frag­ment), heute in Göttingen

EINBECK

  • St. Alex­an­der:
    Klapp­al­tar, um 1509 (Malerei Hans Raphon)

GEISMAR

  • Mar­tins­kir­che:
    Flü­gel­al­tar, 1499 (Malerei Hans Raphon)

GÖTTINGEN

  • Städ­ti­sches Museum:
    weib­li­che Hei­li­gen­büste, (ehem. Duderstadt)Mondsichelmadonna, (ehem. Duder­stadt)
    2 Bischofs­fi­gu­ren (ursp. Fredelsloh)
  • Mari­en­kir­che des Deutsch-Ritter-Ordens:
    Hoch­al­tar, 1524–26, in Zusam­men­ar­beit mit Hein­rich Heisen
    (nicht  mehr im urspr. Zustand)

HAMBURG

  • Museum für Kunst und Gewerbe:
    Figur der Maria Mag­da­lena (ehemals Samm­lung Oertel)

HANNOVER

  • Lan­des­mu­seum:
    5 Stand­fi­gu­ren (Papst Sixtus, Hl. Andreas, Figur eines Papstes, Hl. Niko­laus, Hl. Bischof) :

HETJERSHAUSEN (GÖTTINGEN)

  • St. Alex­an­der:
    Mari­enr­e­ta­bel, 1509, signiert

NIENSTEDT

  • St. Martin:
    Schnitz­al­tar, um 1515

OSTERODE

  • St. Marien:
    Flü­gel­al­tar, 1517 voll­endet (Malerei Hein­rich Heisen)

PADERBORN

  • Diö­ze­san­mu­seum:
    Stand­fi­gur Anna Selb­dritt, um 1515–20 (zuge­schrie­ben durch Stuttmann/Osten)

WARBURG

  • Alstäd­ter Kirche:
    Sip­pen­re­lief, 1515–20

MÜNCHEN

  • Samm­lung Eduard Grütz­ner
    Hl. Sebas­tian (2. Jahr­zehnt 16. Jh.)Papst Petrus (2. Jahr­zehnt 16. Jh.)

 

BIBLIOGRAPHIE

Eck­hardt 1980 | Wolf­gang Eck­hardt: Eine Mag­da­le­nen­fi­gur und andere Arbei­ten des Göt­tin­ger Bild­schnit­zers Bartold Kastrop, in: Jahr­buch der Ham­bur­ger Kunst­samm­lun­gen 25 (1980), S. 27–50.


Girod 2012 | Kim Nina Girod: Das Hoch­al­tarr­e­ta­bel der St. Marien-Kirche in Göt­tin­gen, in: Kunst und Fröm­mig­keit in Göt­tin­gen, die Altar­bil­der des späten Mit­tel­al­ters, Berlin/München 2012, S. 258–282


Stuttmann/Osten 1940 | Fer­di­nand Stutt­mann, Gert von der Osten: Nie­der­säch­si­sche Bild­schnit­ze­rei des späten Mit­tel­al­ters, Berlin 1940, S. 96–103.


Wenig 1975 | Rudolf Wenig: Bartold Kastrop. Ein Bild­schnit­zer der Spät­go­tik in Süd­nie­der­sach­sen (Der Harz und Süd­nie­der­sach­sen / Son­der­heft), Göt­tin­gen 1975.

(Text: Lina Mitschke)

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