Skulptur in Mitteldeutschland

Spätgotik bis Frühbarock

Bild­schnit­zer und Bild­hauer, geb. am 28. Dezem­ber 1557 in Frei­berg, gest. 1607 ebenda

 

Biogramm

Franz Dit­te­rich der Ältere, auch Diet­te­rich, Diet­ri­chen oder Ditrich, war Ver­tre­ter der Frei­ber­ger Schule. Künst­le­risch war er sowohl als Maler, wie auch als zunft­freier Bild­schnit­zer und Bild­hauer während des Über­gangs zum Manie­ris­mus aktiv. Seine Arbei­ten lassen sich in Mit­tel­deutsch­land und Nord­böh­men nach­wei­sen (Frank 2009).
Geboren am 28. Dezem­ber 1557 in Frei­berg als Sohn des Berg­manns und Stei­gers Lorentz (auch Lorenz) wurde Franz Dit­te­rich in der Werk­statt des Paul Kranich als Maler aus­ge­bil­det, wendete sich von der Malerei jedoch ab und der Bild­haue­rei und ‑schnit­ze­rei zu. Nach den Angaben seiner Lei­chen­pre­digt war er eine Zeit­lang in der Werk­statt des Frei­ber­ger Bild­schnit­zers Elias Beseler d. Ä. tätig. 1579 erwarb Dit­te­rich das Frei­ber­ger Bür­ger­recht. Zusam­men mit seiner Frau Maria zeugte er vier Söhne (Lau­ren­tius, getauft 1580; Fran­cis­cus, getauft 1581; Bern­hard; Samuel, getauft 1591) und vier Töchter (Maria, getauft 1588; Chris­tina, getauft 1590, Esther, ver­stor­ben 1600; Katha­rina). Der Sohn Lau­ren­tius ver­starb wohl früh, die drei ver­blei­ben­den Söhne lernten seine Kunst und übten sie aus (Knebel 1898, S. 36–37; Dietze 1992, S. 92 f). Hierbei ist wohl die Bild­schnit­ze­rei und ‑hauerei gemeint, obwohl Dit­te­rich sich seine Fähig­kei­ten in der Stein­be­ar­bei­tung nach eigener Aussage selbst ange­eig­net hatte und von den Stein­met­zen als Unzünf­ti­ger betrach­tet wurde.
Infolge der großen Nach­frage nach seinen Arbei­ten, beson­ders aus Anlass seines Auf­trags, Altar, Kanzel und Tauf­stein für die Petri­kir­che in Frei­berg anzu­fer­ti­gen, kam es 1589 zu einem Kon­flikt mit anderen Bild­hau­ern unter der Führung der Gebrü­der Grün­ber­ger und des Meis­ters Samuel Lorentz, wobei der Rat ent­schied, dass Dit­te­rich in seiner Arbeit unge­hin­dert fort­fah­ren dürfe und die Betei­lig­ten nicht dazu berech­tigt seien, sich gegen­sei­tig in der Aus­füh­rung ihrer Arbeit zu stören. 1596 warf der Bild­hauer Tobias Lindner Dit­te­rich vor, nur ein Unzünf­ti­ger zu sein, und auch wenn der Rat aufs Neue ent­schied, Lindner solle Dit­te­rich seine Arbeit wei­ter­hin aus­füh­ren lassen, so bewirk­ten die Gebrü­der Grün­ber­ger einen Regie­rungs­be­fehl, der dies ein­schränkte: So wurde am 19. März 1596 verfügt, dass Dit­te­rich die Auf­trags­bild­haue­rei in Stein, sowie die Aus­bil­dung neuer Lehr­linge in der Stein­be­ar­bei­tung gänz­lich zu unter­las­sen habe. Für den Eigen­ge­brauch, zum Ver­schen­ken oder Ver­kau­fen durfte Dit­te­rich aber wei­ter­hin kleine „Kunst­stü­cke“ in Stein aus­füh­ren, wenn es sich nicht um Epi­ta­phien han­delte. Auch die Arbeit mit Gips stand ihm frei. In dem Streit behaup­tete Dit­te­rich, er dürfe die Bild­haue­rei ausüben, obwohl er sie sich nur selbst bei­gebracht habe, da sie eine „freie Kunst“ sei, also eine vor­ran­gig geis­tige Tätig­keit, die nicht den Beschrän­kun­gen der Innun­gen unter­liege. Zwei Jahre später hatte der Rat dieses Urteil aller­dings erleich­tert, was bei den Gebrü­dern Grün­ber­ger erneut für Zorn sorgte. Ihre erneute Beschwerde blieb offen­bar ergeb­nis­los. Dit­te­rich starb 1607 in Frei­berg (Knebel 1898, S. 37–38).
Die bekann­ter­ma­ßen von ihm ange­fer­tig­ten Plas­ti­ken, sofern nicht direkt von ihm signiert, können auf­grund erhal­te­ner his­to­ri­scher Doku­mente zuge­ord­net werden. Walter Hent­schel führt in seinem Katalog “Denk­mä­ler säch­si­scher Kunst. Die Ver­luste des zweiten Welt­krie­ges” einige Arbei­ten Franz Dit­te­richs des Älteren auf, die nicht erhal­ten sind. Bei den häufig nur frag­men­ta­risch erhal­te­nen Werken Franz Dit­te­richs des Älteren handelt es sich um kirch­li­che Aus­stat­tungs­stü­cke und Epi­ta­phien. Lobend her­vor­ge­ho­ben wird dabei die „reich figu­rierte Holz­kan­zel“ der Stadt­kir­che St. Nikolai in Puls­nitz, die um 1600 ent­stand, und der Epi­ta­phaltar in der Stadt­kir­che in Strehla, wohl unter Betei­li­gung seiner Söhne Franz d. J. und Bern­hard ent­stan­den um 1605. Beson­ders das geschnitzte und auf­wen­dig gefasste Retabel in der Kirche von Strehla zählt zu den Glanz­punk­ten und Haupt­wer­ken des Manie­ris­mus in Sachsen. Magi­rius (1987, S. 172–174) cha­rak­te­ri­siert Dit­te­richs Stil mit einer Tendenz zum „Male­ri­schen, zum Feinen, Reichen und Far­bi­gen“, durch eine orna­men­tale Ver­schmel­zung der ein­zel­nen Archi­tek­tur­glie­der. Die inno­va­tive Kunst Franz Dit­te­richs und seiner Söhne, welche die Werk­statt erfolg­reich wei­ter­führ­ten, beein­flusste die Stil­ent­wick­lung der Skulp­tur und ins­be­son­dere der Altarr­e­ta­bel in Sachsen bis in 60er Jahre des 17. Jahrhunderts.

Werke

ERBISDORF

  • Dorf­kir­che:
    Kreu­zi­gungs­gruppe von einem Altar, um 1595 (Zuschrei­bung)
    Reste eines Schnitz­al­tars, 1603 (Zuschrei­bung)

FREIBERG

  • Petri­kir­che:
    Altar, Kanzel und Taufe, 1588/89, 1728 durch Brand zer­stört (archi­va­lisch gesichert)
  • Stadt- und Berg­bau­mu­seum:
    Epi­taph­frag­mente aus der Kirche von Groß-Schirma (mehrere Reli­ef­me­dail­lons), um 1595 (Zuschrei­bung)

GRIMMA-DÖBEN

  • Kirche:
    Altarr­e­ta­bel, 1591 (Zuschrei­bung)

MOST

  • Deka­nal­kir­che:
    Epitaph Para­deis, 1592–1605 (Zuschrei­bung)

OTTENDORF BEI PIRNA

  • Kirche:
    Altarr­e­ta­bel und Kan­zel­re­li­efs, 1591

POMSSEN (ehemals)

  • Kirche:
    Epitaph des Ernst von Poni­ckau, um 1580 (signiert „Frantz Ditrich, Bilts­nit­zer in Frei­berk“, 1686 in einen Altar umge­wan­delt, ab da in Grimma, im 2. Welt­krieg zerstört)

PULSNITZ

  • Niko­lai­kir­che:
    Kanzel, nach 1600 (Zuschrei­bung)

SCHNEEBERG (ehemals)

  • St. Wolf­gangs­kir­che:
    Epitaph des Paulus Lob­was­ser, wohl 1606 (Zuschrei­bung, wohl unter Betei­li­gung der Söhne, im 2. Welt­krieg zerstört)

STREHLA

  • Stadt­kir­che:
    Epi­ta­phaltar, 1605 (signiert)

Zahl­rei­che weitere Zuschrei­bun­gen bei W. Dietze (1992).

 
Bibliographie

Dehio Sachsen 1996 | Georg Dehio: Hand­buch der deut­schen Kunst­denk­mä­ler. Sachsen I, Regie­rungs­be­zirk Dresden, bear­bei­tet von Barbara Bechter, Wiebke Fas­ten­rath u.a., Berlin 1996 Sachsen I, S. 677, 721 u. 818.

Dehio Sachsen 1998 | Georg Dehio: Hand­buch der Deut­schen Kunst­denk­mä­ler. Sachsen II. Die Regie­rungs­be­zirke Leipzig und Chem­nitz, bear­bei­tet von Barbara Bechter, Wiebke Fas­ten­rath, Hein­rich Magi­rius u.a., Berlin 1998, S. 30 u. 347.

Dietze 1992 | Walburg Dietze: Die Frei­ber­ger Bild­hau­er­schule zwi­schen Refor­ma­ti­ons­zeit und Drei­ßig­jäh­ri­gem Krieg, unver­öf­fent­lichte Univ. Diss. Halle-Wittenberg 1992, Bd. 1, S. 92–113 u. S. VIII f.

Frank 2009 | Volker Frank: “Dit­te­rich, Franz (1557)”. All­ge­mei­nes Künst­ler­le­xi­kon Online, bear­bei­tet von Wolf Tege­thoff, Béné­dicte Savoy and Andreas Beyer. Berlin, New York: K. G. Saur, 2009.

Hent­schel 1973 | Walter Hent­schel: Denk­male säch­si­scher Kunst. Die Ver­luste des zweiten Welt­krie­ges, Berlin 1973.

Knebel 1998 | Konrad Konrad: Künst­ler und Gewerke der Bau- und Bild­hau­er­kunst in Frei­berg, in: Mit­tei­lun­gen des Frei­ber­ger Alter­tums­ver­eins mit Bildern aus Frei­bergs Ver­gan­gen­heit, 34. Heft (1897), Frei­berg 1898, S. 36–39.

Magi­rius 1987 | Hein­rich Magi­rius: Die Werke der Frei­ber­ger Bild­hau­er­fa­mi­lie Dit­te­rich und die luthe­ri­sche Altar­bau­kunst in Ober­sach­sen zwi­schen 1550 und 1650, in: Die Haupt­kir­che Beatae Mariae Vir­gi­nis in Wol­fen­büt­tel. Zur Kunst­ge­schichte und Restau­rie­rung des ersten refor­ma­to­ri­schen Kir­chen­baus in Deutsch­land (=For­schun­gen der Denk­mal­pflege in Nie­der­sach­sen 4), hrsg. von Hans Herbert Möller (Hg.), Hameln 1987, S. 169–178.

Törmer-Balogh 2002 | Walburg Törmer-Balogh: … wan­derte Ludwig Müns­ter­mann in Sachsen?, in: Das holz­sich­tige Kunst­werk — zur Restau­rie­rung des Münstermann-Altarretabels in Rodenkirchen/Wesermarsch (Arbeits­hefte zur Denk­mal­pflege in Nie­der­sach­sen, Heft 26), Hameln 2002, S. 112–125, hier S. 122 f.

Setler 1607 | Jacob Setler: Christ­li­che Lei­chen­pre­digt bei dem Begreb­niß des Erbarn und Kunst­rei­chen Frantz Diet­ri­chen, Malers, Bild­schnit­zers und Mit­bür­gers zu Frey­bergk …, Frei­berg 1607.

        
 
                                                                                     Autor: Paul Koch, ergänzt von S. Schulze (2021)

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