Skulptur in MitteldeutschlandSpätgotik bis Frühbarock
Um circa 1550/60 begann sich der Ornamentstil der plastischen Werke unter niederländischem Einfluss erheblich zu wandeln. Maßgeblich war dabei die Antwerpener Werkstatt des Cornelis Floris de Vriendt, dessen Entwürfe durch Druckgraphiken und seine zahlreichen Schüler in Nord- und Mitteleuropa verbreitetet wurden. Charakteristische Schmuckelemente dieses Stils sind durchbrochenes, stark in den Raum aufgebogenes Rollwerk, als Fruchtbündel oder Fruchtkörbe gestaltete Abhänglinge, Karyatiden und Hermen, Blattmasken, klassisches Gebälk mit plastischen Akanthus‑, Bukranion- oder Trophäenfriesen und kannelierte Säulen mit korinthischen Kapitellen. Die Bildhauer in Dresden und Freiberg schufen unter dem Einfluss italienischer Künstler, die für die wettinischen Kurfürsten albertinischer Linie tätig waren, verhältnismäßig sparsamer ornamentierte, architektonisch strengere, „klassizistischere“ Werke, die enger dem Stil der italienischen Hochrenaissance entsprechen, verarbeiteten zugleich aber auch Elemente des Floris-Stils. Ab etwa 1580 führte der hier sogenannte Beschlagwerkstil Tektonik und Ornamentik der Floris-Renaissance fort, wandelte sie aber in der Gesamterscheinung durch die Betonung bestimmter architektonischer und dekorativer Elemente, die sich zum Teil aus der Kunsttischlerei ableiteten. Beliebt wurden nun flächiges Beschlagwerk, sehr viele runde, längsovale oder prismenförmige Schmuckknöpfe, oft zu Friesen oder Rahmen arrangiert, zahlreiche Löwenmaske und Engelsflüchte, Rollwerkkartuschen, stark verkröpftes, schlicht und monumental gestaltetes Gebälk, häufig Sarkophag-Gesimse, freistehende Säulen, oft paarweise, mit reich gestalteten Manschetten und Obelisken im Aufsatz. Maßgeblich für die Verbreitung dieser Ornamentstilvariante waren Stiche des Niederländers Hans Vredeman de Vries.
Nach der schweren Krise der Bildhauerei am Ausgang der Spätgotik durch den Wegfall kirchlicher Aufträge nahm die Gattung der Skulptur seit der Jahrhundertmitte erneut einen starken Aufschwung. Zur Hauptaufgabe der Bildhauer wurden nun häufig in Stein ausgeführte Grabdenkmäler für Fürsten und Adel, die seit dem letzten Drittel des Jahrhunderts mitunter zu monumentaler Größe gesteigert wurden. Der landsässige Adel trug seiner Verantwortung für das neu etablierte protestantische Kirchenwesen nun vielerorts durch die Stiftung aufwändiger Ausstattungsstücke in den ihnen anvertrauten Patronatskirchen Rechnung. Schrittmacher dieser Entwicklung war die Konkurrenz der Fürstenhöfe und die Orientierung des Adels an der höfischen Leitkultur. Durch den Ausgang des Schmalkaldischen Krieges 1547 fielen die sächsische Kurwürde und bedeutende Territorien der ernestinischen Linie an die albertinischen Wettiner. Unter Kurfürst Moritz und insbesondere seinem Nachfolger August von Sachsen stiegen die Albertiner damit zur politisch und kulturell dominierenden Macht in Mitteldeutschland auf.
Dresden
Die albertinische Hauptresidenz Dresden entwickelte sich in Folge dieser Ereignisse zur wichtigsten mitteldeutschen Residenzstadt. Die führenden Bildhauer waren hier ab etwa 1555 Hans (II) Walther (1526–1585) und Christoph (II) Walther (1534–1584). Wichtige Arbeiten aus der Werkstatt Hans Walthers sind das zum Andenken an den 1553 gefallenen Gründer des albertinischen Kurfürstenhauses gestiftete ►Moritzmonument an der Dresdner Moritzbastei, der ►ehemalige Altar der Dresdner Frauenkirche (1571/73), heute in Bad Schandau, und das gemeinsam mit Christoph Walther geschaffene ►Kenotaph der Wettiner auf dem Petersberg bei Halle (1567). Der produktiven Werkstatt Christoph Walthers verdankt sich mit dem ►Epitaph des Hugo von Schönburg (†1566) in Waldenburg eines der ersten Grabdenkmäler in der weiteren Region, welches die fast vollplastische Figur eines betenden Adoranten vor eine Bildwand stellt. In großem Umfang entstand ab den mittleren Jahren des 16. Jahrhunderts plastischer Schmuck für das Dresdner Residenzschloss, darunter mehrere große, in jüngerer Vergangenheit rekonstruierte Reliefs im Schlossinnenhof und das ►Portal der Schlosskapelle, die qualitätvolle Gemeinschaftsarbeit italienischer und deutscher Bildhauer unter Juan Maria Padovano und Hans Walther in klassischen Architekturformen der italienischen Hochrenaissance. 1575 wurde in Dresden der Bildhauer und Architekt Giovanni Maria Nosseni (1544–1620) aus Lugano in Tessin ansässig. Als Kunstintendant des kurfürstlich-sächsischen Hofes beeinflusste er die Kunstentwicklung maßgeblich in Sachsen und darüber hinaus bis zu seinem Tod 1620. Im Auftrag des Kurfürsten erschloss er Alabaster- und Marmorvorkommen, die in den folgenden Jahrzehnten vielerorts im Reich für repräsentative Bildhauerarbeiten eingesetzt wurden und den Einfluss Nossinis weit über die Grenzen Kursachsens hinaus sicherten. Unter der Ägide Nossenis arbeitete die nächste Generation der führenden Dresdner Bildhauerdynastie Andreas (III) (†1596), Michael (†1624), Christoph (IV) (†1626) und Sebastian Walther (1576–1645). Der seit 1586 regierende Kurfürst Christian trieb die repräsentative Ausgestaltung seiner Hauptresidenz mit großer Energie voran. Zur Ausschmückung der Dresdner Stadtbefestigung schuf der Werkstatterbe Andreas (III) Walther um 1593 durch alte Darstellungen überlieferte Bildhauerarbeiten von hier bislang unbekannter Monumentalität, darunter ein elf Meter hohes, von einer Justitia-Figur bekröntes Wappen und zwei lebensgroße Reiterbildnisse. Nach dem frühen Tod des Meisters wuchs Sebastian Walther eine herausgehobene Stellung unter den Dresdner Bildhauern zu. Wahrscheinlich durch eine Italienreise begünstigt, bei der er unmittelbar in Florenz, die Kunst des führenden europäischen Bildhauers seiner Zeit kennen gelernt hatte, Giovanni da Bologna (1529–1608).
Von diesem Einfluss zeugt das kleine ►Epitaph für Lucas Cranach d. J. (1515–1586) in der Wittenberger Stadtkirche (1606). Nach Entwurf Nossenis insbesondere durch die Walther-Brüder bis circa 1607 ausgeführt, wurde schließlich auch der ►ehemalige Hochaltar der Dresdner Sophienkirche, der „Nosseni-Altar“, heute rekonstruiert in der Kirche von Dresden-Loschwitz. Das Hauptwerk der Dresdner Bildhauerei dieser Jahre ist der um 1612/13 errichtete große ►Marmoraltar in der Schlosskirche der kurfürstlichen Lichtenburg bei Prettin zwischen Wittenberg und Torgau, bedeutend auch der ►Epitaphalter in der Dorfkirche von Borna bei Torgau (um 1609).
Freiberg
Die Grablege der nun hauptsächlich in Dresden residierenden Albertiner verblieb im Dom ihrer vormaligen Residenz Freiberg und wurde nach der im Reich umstrittenen Rangerhöhung auf Kosten der ernestinischen Wettiner als Ort dynastischer Repräsentation überaus prächtig ausgestattet. Mit dem von sächsischen Hofkünstlern entworfenen, 1563 aufgestellten ►Freigrab für Kurfürst Moritz entstand für diese Grablege das wichtigste plastische Denkmal des mittleren 16. Jahrhunderts in Kursachsen. Auch aus Kostengründen vergab Kurfürst August die Ausführung auf Vermittlung des Hofgoldschmieds Hans Wessel an die Werkstatt des Antwerpener Bildhauers Anton von Zerroen, der es in Einzelteilen aus verschiedenfarbigem Marmor und Alabaster nach Sachsen lieferte. Abweichend von bisheriger Praxis wurde dieses Werk auf Befehl des Kurfürsten nicht in der Fläche farbig gefasst. Es wurde damit wegweisend für eine im Folgenden häufig steinsichtig belassene Skulptur. 1589 bis 1594 wurde die Umgestaltung des Domchors zur kurfürstlichen Grablege unter Leitung Giovanni Maria Nossenis durch die Errichtung von ►Wandepitaphien und die aufwendige Ausschmückung des Gewölbes mit Plastik und Malerei spektakulär vollendet. Für das Projekt holte Nosseni den international renommierten Florentiner Bildhauer und Bronzegießer Carlo di Cesare (1538–1598) und etliche andere italienische Künstler nach Freiberg. An der Ausführung beteiligt waren auch die in Freiberg besonders zahlreich ansässigen Steinmetze und Bildhauer.Die Freiberger Bildhauerei zählte im 16. und 17. Jahrhundert durch ihre Produktivität und durch die Größe ihres Einzugsgebiets zu den bedeutendsten deutschen Bildhauerschulen. Führend waren hier die Familien Lorentz, Beseler, Grünberger, Eckhardt und Ditterich. Aus der Werkstatt des Freiberger Ratssteinmetz, Baumeisters und Bildhauers Andreas Lorentz († vor 1588) stammen unter anderem die ►Kanzel in der Jakobikirche in Freiberg (um 1564), der ►Altar in der Schlosskapelle in Rochsburg (1576), wie wohl auch das stattliche ►Freigrab des Wolf von Schönburg (†1581) und Gemahlin in der dortigen Stadtkirche sowie das ebenfalls farbig gefasste ►Epitaph von Schönberg im erzgebirgischen Gelenau (1581). Mit seinen Söhnen Samuel Lorentz († vor 1596) und Uriel Lorentz (†1585) schuf er mit dem ►Epitaph für Caspar II. von Schönberg (†1578) in der Marienkirche von Sayda eines der größten Grabdenkmäler dieser Jahre in Obersachsen. Elias Beseler (†1591) arbeitete mit der wichtigen Freiberger Kunstgießerwerkstatt von Wolf Hillger (†1576) zusammen (►Messingepitaph für Sebastian Hillger (†1570) in der Leipziger Thomaskirche, signiert EB). Sein Bruder Peter Beseler d. J. (†1601) signierte die geschnitzte ►Kanzel der Nikolaikirche in Geithain (1597) und war in den 1590er Jahren an der Ausgestaltung der Freiberger Fürstengrablege beteiligt. Hauptvertreter des strengen tektonischen Stils der sogenannten „Nosseni-Schule“ waren die Bildhauer der Familie Grünberger, deren Stammvater, der vermutlich aus Nürnberg stammende Bildhauer Thomas Grünberger, 1556 das Freiberger Bürgerrecht erwarb. Seine Söhne Michael Grünberger d. Ä. (†1598) und Jonas Grünberger d. Ä. (†1608) zählten zu den engen Mitarbeitern des kursächsischen Kunstindetendanten Giovanni Maria Nosseni. Die umfangreichen Epitaphien der Werkstatt aus verschiedenfarbigen Alabaster- und Marmorvarietäten finden sich zwischen dem sächsisch-böhmischen Grenzraum, Südbrandenburg und Mittelthüringen. Zu den Hauptwerken der Werkstatt zählen das ►Schulenburg-Epitaph im brandenburgischen Liebenau, der ►Altar in der Nikolaikirche in Geithain (1595–1608) sowie zwei herzogliche Epitaphien in Weimar (1594 und 1596). Ein weiterer wichtiger Mitarbeiter Nossenis war der Freiberger Ratssteinmetz Hieronymus Eckhardt d. J. († 1624), der 1590–93 als Polier der Steinmetze an der Ausgestaltung der Freiberger Fürstengrablege mitwirkte. Sein Sohn Uriel Eckhardt (1582–1612) gilt als Hauptmeister des großen ►Epitaphs für Caspar und Agnes von Schönberg d. J. (†1605 und 1609) in Sayda. Zuerst 1557 mit Lorenz Ditterich in Freiberg nachweisbar, etablierte sich gegen den erbitterten Widerstand der Freiberger Steinmetzzunft die aus dem Malerhandwerk kommende Familie Ditterich als weithin erfolgreiche Bildschnitzerfamilie in der bedeutenden Bergbaustadt. Der Werkstatterbe Franz Ditterich d. Ä. (†1607) schuf später unter umfassender Mitarbeit seiner Söhne Franz d. J. und Bernhard, stattliche und innovative Werke der Bildschnitzerei für Kirchen in Sachsen und Böhmen, darunter ►Schnitzaltar und Kanzel von Ottendorf bei Pirna (1591), die ►Kanzel in der St. Nikolaikirche in Pulsnitz (um 1600) und den besonders bemerkenswerten ►Epitaphaltar in der Kirche von Strehla (1605). Nach dem Tod des Vaters fertigte Franz Ditterich d. J. (1581–1624) das prächtige ►Epitaph Holewein (†1607 und 1617) im Freiberger Dom. – Wertvolle Beispiele der Freiberger Bildschnitzerei dieser Jahre haben sich im Freiberger Stadt- und Bergbaumuseum erhalten, darunter Teile des ehemaligen ►Schnitzaltars der Kapelle von Schloss Freudenstein in Freiberg, geschaffen um 1577 von dem kursächsischen Hoftischler und Bildschnitzer Georg Fleischer d. Ä. (†1604).
Ebenfalls unter Leitung eines Freiberger Bildhauers namens Simon Hoffmann entstand zwischen 1605 und 1608 der prächtige ►Bauschmuck der Spätrenaissance des Schlosses in Merseburg. Der Freiberger Michael Hegewald († nach 1640) gründete in Chemnitz, wo er seit 1595 nachweisbar ist, eine Werkstatt, die Stadt und Region wenigstens bis zum Einbruch des Krieges um 1630 mit Bildhauerarbeiten versorgte. Zu diesen Arbeiten zählen unter anderem Ausstattungsstücke in den Kirchen von ►Chemnitz-Rabenstein (Taufstein, 1595) und ►Niederlichtenau (Kanzel, 1615).
Zentren im südöstlichen und nördlichen Sachsen
Zentren im südöstlichen und nördlichen Sachsen
Auch Pirna entwickelte sich seit dem späten 16. Jahrhundert dank seiner verkehrsgünstig nahe der Elbe gelegenen, hochwertigen Sandsteinvorkommen zu einem kleineren Hauptort der Bildhauerei, welcher eng mit der nahen Residenz Dresden verbunden war. So lieferte der seit 1582 in Pirna nachweisbare Bildhauer Melchior Jobst gemeinsam mit dem Pirnaer Steinmetz Paul Leubel 1589 nicht nur den plastischen Schmuck für das Hauptportal der ehemaligen Kreuzkirche in Dresden, sondern schon 1586 auch einen ebenso wenig erhaltenen Brunnen auf dem Leipziger Naschmarkt. 1575 ließ sich der Torgauer Andreas Buschwitz (†1582) in Pirna nieder. Zu seinen Arbeiten zählen der plastische Schmuck des Torgauer Rathauserkers (1577–79), Wappen an den ►Emporen der Pirnaer Stadtkirche (1577/78) und das ►Epitaph des Karl von Schleinitz (†1577) in Wittenberg. Wohl bei Buschwitz lernte mit Michael Schwenke (1563–1610) einer der hervorragendsten mitteldeutschen Bildhauer der Spätrenaissance. Gemeinsam mit seinem Bruder David Schwenke (1575–1620) geschaffene Hauptwerke sind das ►sandsteinerne Altarretabel der Pirnaer Stadtkirche (1610/12) sowie das besonders eindrucksvolle plastische ►Ensemble der Kirche im erzgebirgischen ►Lauenstein, bestehend aus Portal, Taufstein, Kanzel, Altar (1594/1602) und dem umfangreichen viergschossigen Bünau-Epitaph, letzteres ausgeführt 1611–13 von der Werkstatt des Pirnaer Bildhauers Lorenz Hornig (†1624). Mit Hans (1589–1634) und Daniel Schwenke (1596–1623), den Söhnen seines Bruders, führte David Schwenke die Werkstatt nach 1610 fort. Lorenz Hornig wurde vermutlich nach Mitarbeit in der Schwenke-Werkstatt 1601 Meister in Pirna und 1611 in der Nachfolge Michael Schwenkes Obermeister der Steinmetzen- und Maurerzunft.
Elbabwärts in Meißen versorgte Hans Köhler d. J. († 1624) Orte im weiteren Umkreis der Stadt mit Steinbildhauerarbeiten. Für ihn urkundlich gesichert sind die ►Kanzel in der Kirche von Taubenheim (1598) und der reiche ►Taufstein in der Nikolaikirche in Döbeln (1602). Weitere Werke hinterließ er in Nordböhmen, wo er in den 1590er Jahren für die Familie von Saalhausen tätig war.
Torgau verlor mit dem Schmalkaldischen Frieden von 1547 seine Stellung als Hauptresidenz der ernestinischen Wettiner, blieb aber eine wichtige Nebenresidenz der neuen albertinischen Landesherren. Georg Schröter (†1586) und sein Bruder Simon Schröter d. J. († vermutlich 1573) führten hier ab 1560 die Werkstatt des Vaters zu höchster Bedeutung. Ihre zum Teil umfangreichen Arbeiten finden sich heute in Sachsen-Anhalt, Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg und Niedersachsen. Bei dem ►Altar für die Schlosskapelle der mecklenburgischen Residenz Schwerin von 1562 (heute im Staatlichen Museum Schwerin) kombinierten die Torgauer nach heutigem Kenntnisstand als erste mitteldeutsche Bildhauerwerkstatt des 16. Jahrhunderts Sandstein mit Alabaster. Große Alabasterepitaphien von wegweisender Bedeutung entstanden in der Torgauer Werkstatt für die Kirchen in ►Wittenberg (Epitaph des Studenten Matthias von Schulenburg, 1571), ►Ampfurth (Heinrich von der Asseburg, †1575) und dem niedersächsischen ►Peine. Bemerkenswert sind auch das steinerne Altarretabel in der Kirche von Wiesenburg (1561) und das humanistische ►Grabmal des Dr. Georg von Kommerstädt (†1559) in der Kirche von Reinersdorf. Georg Wittenberger (†1604) schnitzte 1582 die Kanzel der Torgauer Stadtkirche und übernahm nach dem Tod Georg Schröters 1586 dessen Steinmetzhütte (►Epitaph von Lindenau in der Kirche von Machern, circa 1600). 1581 erwarb der flämische Baumeister und Bildhauer Aegidius de Brugk (†1599) das Torgauer Bürgerrecht. Sein Hauptwerk ist der reiche ►Epitaphaltar der Familie von Schleinitz in der Kirche von Caveritz (datiert 1588). Im nahe elbaufwärts gelegenen Strehla ließ sich der Bildhauer Samuel Hanauer nieder, Meister der prächtigen, aus farbig gefassten Stein und Stuck gefertigten ►Ausstattungsstücke der Kirche im südbrandenburgischen Lübben im Spreewald (Altar, Kanzel, Taufstein, um 1610).
In Leipzig setzte mit dem aus Thüringen stammenden Bildschnitzer Valentin Silbermann (†1604) Mitte der 1580er Jahre der Wiederaufstieg der Bildhauerei ein. Silbermann arbeitete zuerst für den Kunsttischler und Bildschnitzer Hans Flandereisen (†1590) und war mit diesem gemeinsam um 1590 für den Kurfürsten in Dresden tätig. Für die Leipziger Kirchen schuf die Werkstatt heute überwiegend verlorene, mit reichen Bildschnitzereien verzierte Kanzeln, Altarretabel, Orgelprospekte und Epitaphien. Zu den wenigen nachweislich erhaltenen Arbeiten der Silbermann-Werkstatt zählen die ►Kanzel der alten Johanniskirche (1587), heute im Leipziger Stadtmuseum, ein relativ bescheidenes Frühwerk, der ►Aufsatz des spätgotischen Altarretabels der Leipziger Thomaskirche (1587), heute in der Lutherkirche in Plauen, und die ►Kanzeldecke in der Moritzkirche in Halle (1604). Außerdem ist der Silbermann-Werkstadtt das ►Epitaph für Dr. Heinrich Heideck (†1603) in der neuen Leipziger Universitätskirche zuzuschreiben.
Sachsen-Anhalt
Halle bewahrte sich auch nach dem Weggang des mächtigen Kardinals Albrecht von Bandenburg 1541 infolge der Reformation seinen Wohlstand und erlebte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine wirtschaftliche Blütezeit. Der seit 1550 hier als Bürger ansässige Steinmetzbaumeister Nickel Hoffmann (†1592) leitete bis zu seinem Tod umfangreiche Baumaßnahmen. Einige der dafür zahlreich in der Stadt versammelten Steinmetze schufen in diesen Jahrzehnten den qualitätvollen Reliefschmuck der steinernen ►Emporen der Marktkirche (1549–1554) und der Schwibbögen des ►Halleschen Stadtgottesackers (1557–1592). Als leitende Steinmetzen Nickel Hoffmanns federführend waren dabei sehr wahrscheinlich der Parlier Thomas Rinckler (†1571) und nach seinem Tod der Monogrammist A. I. Die Schnitzereien des ►Laiengestühls der Marktkirche St. Marien führte in den Jahren 1561–1575 der aus dem flämischen Ypern stammende Antonius Pauwaert aus. Auch die Figuren der sternförmigen ►Kanzeldecke von 1595/96 in derselben Kirche stammen von einem auswärtigen Bildschnitzer Heinrich Heidenreuther, sehr wahrscheinlich identisch mit dem später in Hamburg ansässigen Henni Heidtreter.
Weiter westlich beherbergt der Dom von Halberstadt mit dem ►Epitaph des Erzbischofs Friedrich IV. von Brandenburg (vollendet 1558) eines der originellsten und bedeutendsten Grabdenkmäler der deutschen Renaissance, ausgezeichnet durch ein anspruchsvolles Bildprogramm, einen unkonventionellen architektonischen Aufbau und die eigenwillige Umsetzung der Floris-Ornamentik. Der Erzbischof von Magdeburg und Halberstadt, Sohn des brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. von Hohenzollern, starb 1552 nach kurzer Amtszeit. Sein umfangreiches Epitaph im Domchor unterstreicht den Anspruch der Hohenzollern auf die Besetzung der Bischofsstühle in Magdeburg und Halberstadt. Ausführender Meister war der in Berlin ansässige kurbrandenburgische Hofbildhauer Hans Schenck, genannt Scheußlich († um 1571/72) Sein Schüler Zacharias Bogenkrantz ließ sich im nördlichen Harzvorland in dem Dorf Sinsleben bei Ermsleben unter der Jurisdiktion der bedeutenden Adelsfamilie von Hoym nieder. Er ist verantwortlich für mehrere der stattlichsten Werke der Steinbildhauerei in einer weiten Region zwischen Brandenburg und dem südlichen Sachsen-Anhalt. Auf das architektonisch ungewöhnliche ►Epitaph der Familie von Hoym in Ermsleben (um 1571) folgten Grabdenkmäler unter anderem im altmärkischen Ampfurth und Oebisfelde, in Brandenburg a. d. Havel, in Köthen und Halberstadt. Von monumentaler Größe sind die Epitaphien ►von Bila im Dom von Merseburg (nach 1584) und ►von Trotha in Hecklingen (nach 1597), von überragender Qualität auch die steinerne ►Kanzel der Moritzkirche in Halle (1592). Der Umfang dieser Werke setzt die Zusammenarbeit von Bogenkrantz mit anderen fähigen Bildhauern in seiner Region voraus. Neben ihm hier tätig waren auf bescheidenerem qualitativem Niveau unter anderem der Steinmetz Hans Michel aus Bernburg (1589 ►Kanzel in Löbejün, mehrere Figurengrabsteine) und der anonyme Meister des Penz-Epitaphs in der Kirche von Friedeburg (1582). Bislang ein Meister ohne Werk ist der Bildhauer Martin de Indemann aus Halberstadt, der 1594 von Fürst Johann Georg von Anhalt mit der Fertigung eines nicht erhaltenen Alabaster-Epitaphs seiner Gemahlin Dorothea beauftragt wurde.
Vor allem dank großer Aufträge des dortigen Domkapitels entwickelte sich Magdeburg in den letzten Jahren des 16. Jahrhunderts rasch zu einem der wichtigsten und innovativsten Zentren der Bildhauerei im deutschsprachigen Raum. Die erste bedeutende Werkstatt dieser Magdeburger Bildhauerschule begründete der aus Pirna stammende Hans Klintzsch. In einem wild-expressiven Stil schuf er für den Magdeburger Dom drei große, mit Figuren und Ornament schwer beladene Standsteinepitaphien: das acht Meter hohe ►Hänge-Epitaph für Werner von Plotho (†1598), das ►Standepitaph für Lewin von der Schulenburg (†1587) und das im Aufbau gleichartige ►Epitaph für Johann von Bothmar (†1592). Christoph Kapup aus der nordwestthüringischen Reichsstadt Nordhausen begründete in der Domkirche mit dem ►Epitaph des Domherrn Ernst von Mandelsloh (†1602) (1595) die Tradition der großen Alabaster-Epitaphien. Das als besonders edel geschätzte Material wurde unter anderem bei Nordhausen abgebaut. Von Mandelsloh empfahl Kapup für den Auftrag zur Fertigung der ►Kanzel des Magdeburger Doms. Die 1595–97 überwiegend in Marmor und Alabaster ausgeführte, reich geschmückte Kanzel wurde Vorbild weiterer Kanzeln und kann zu den Hauptwerken der Skulptur in Deutschland gezählt werden. An ihrer Ausführung war der Bildhauer Sebastian Ertle († vor 1617) aus dem süddeutschen Überlingen beteiligt, der sich anschließend als der führende Bildhauer in Magdeburg etablierte. Die wichtigsten erhaltenen Arbeiten seiner Werkstatt sind die Epitaphien für ►Wichard von Bredow (1601) und für ►Ludwig von Lochow (wohl um 1602/03), beide im Magdeburger Dom, ►für Caspar von Kannenberg (um 1605/06) im Dom von Halberstadt und ►für Melchior von Arnstedt in der Stadtkirche von Jerichow (dat. 1609). Neben Ertle waren in Magdeburg nach 1600 eine Reihe weiterer Meister tätig: Hans Hierzig stammte wie Ertle aus Überlingen und arbeitete jedenfalls zunächst in dessen Werkstatt. Sein bislang einziges nachweisbares Werk ist das signierte ►Epitaph des Ehepaars Christoph und Ursula Vitztum von Eckstedt in der Unterkirche St. Nikolai in Burg bei Magdeburg (circa 1600/1610). Der Bildhauer Michael Spies aus Meißen ließ sich nach seiner Heirat in Magdeburg nieder. Hauptwerke sind die steinerne ►Kanzel in der Kirche von Werben (1602) sowie ►Altar (1607), ►Taufstein (1611) und das ►Epitaph des Bürgermeisters Johs Rudolph (1609) in der Oberkirche in Burg. Hans Hacke aus dem altmärkischen Werben arbeitete zunächst für Hans Klintzsch und Michael Spies bevor er 1604 in Havelberg eine eigene Werkstatt gründete. 1600-03 entstand unter seiner Leitung das große steinerne ►Altarretabel, 1610-12 die reiche ►Sandsteinkanzel in der Jacobikirche in Stendal.
Niedersachsen
Wenig südlich von Braunschweig bauten in diesen Jahren die Welfenherzöge ihre Residenz Wolfenbüttel aus und beschäftigten dafür auch Bildhauer. Herzog Julius II. von Braunschweig-Wolfenbüttel warb den aus Nordostfrankreich stammenden hessischen Hofbildhauer Adam Liquier (†1586) ab, der nach dem Tod seines Meisters Elias Godefroy bis 1570 die Vollendung des monumentalen ►Alabaster-Epitaphs für Landgraf Philipp den Großmütigen von Hessen in der Martinskirche in Kassel geleitet hatte und nun zahlreiche, überwiegend nicht erhaltene Arbeiten in Wolfenbüttel und andernorts übernahm.In Braunschweig leitete um 1580 die hier mutmaßlich führende Bildhauerwerkstatt Hans Seck (†1583), der vermutlich vorher für den Torgauer Bildhauer Georg Schröter gearbeitet hatte. Durch das Monogramm HS für ihn gesichert, ist das 1582 datierte ►Epitaph für Asche von der Asseburg (†1580) in Ampfurth. Das großenteils in Alabaster ausgeführte ►Epitaph für Friedrich von Britzke (†1576) im Dom von Halberstadt ist das erste Groß-Epitaph eines Domherrn, dem wenig später hier und vor allem in Magdeburg etliche weitere Denkmäler dieser Art folgten. Die Werkstatt Secks übernahm mit der Heirat seiner Witwe 1583 der Tischler und Bildschnitzer Jürgen Röttger (1550–1623), der sie bis zu seinem Tod mit großem Erfolg fortführte. Neben Ausstattungsstücken und Grabdenkmälern der Braunschweiger Kirche entstanden in seiner Werkstatt eine Reihe figurenreicher Großepitaphien, vor allem für die im Gebiet des nördlichen Sachsen-Anhalt reich begüterte Familie von Alvensleben (Erxleben, Hundisburg, Kalbe/Milde, Gardelegen und Neugattersleben). Zu den frühen Arbeiten der Werkstatt zählen in Braunschweig der ►ehemalige Lettner der Brüdernkirche (1592/94, ab 1987 rekonstruiert) und das ►Epitaph des Ludolf Schrader (†1589) in der Katharinenkirche. Neben Seck und Röttger in Braunschweig tätig waren in diesen Jahren unter anderem die Bildhauer Weimar Heinemann (†1598), Balthasar Kircher († nach 1598), Jakob Meyerheine (†1615), der Meister des ►Prunkportals des Juleums in Helmstedt (1596/97), sowie der aus Stuttgart stammende Stuckbildhauer Bernhardt Klein (►Epitaph des Hans von Bülow (†1599) in der Katharinenkirche zu Oebisfelde).
In Hildesheim gründete Ebert Wulff († 1606/07) vor 1570 eine produktive Bildhauerwerkstatt, der Grabdenkmäler unter anderem in Einbeck, Braunschweig, Harbke, Loccum und Bad Suderode zugewiesen wurden. Zunächst als Mitarbeiter ihres Vaters, später als selbständige Meister führten Ebert Wulff d. J. (†1608/09), Hans Wulff (†1629) und Jonas Wulff (†1618/19) die Werkstatt zu hohem künstlerischem Rang. Für den Grafen Ernst zu Schaumburg schufen sie in der gräflichen Residenz Bückeburg ab 1603 qualitativ hochrangige Bildhauerarbeiten, darunter die berühmte ►Goldene Pforte im Bückeburger Schloss, ein Hauptwerk des Manierismus in Deutschland, und etliche ►Skulpturen für die damals neu errichtete Bückeburger Stadtkirche (Orgelprospekt, Kanzel). Ein Beispiel für die Grabmalskunst der Wulff-Werkstatt findet sich mit dem hölzernen ►Epitaph des Grafen Ernst (VII.) von Honstein (†1593) im ehemaligen Kloster Walkenried (um 1602).
Thüringen
Umfangreich und vielgestaltig ist auch der Bestand an Skulptur, der in Thüringen und im südlichen Sachsen-Anhalt seit den 1560er Jahren entstand. Die seit 1547 vorrangig in Gotha und Weimar residierenden wettinischen Herzöge von Sachsen wählten den Chor der Stadtkirche in Weimar als neue Familiengrablege und sandten den jungen Gothaer Bildhauer Sebastian Gromann, Sohn des herzoglichen Landesbaumeisters Nickel Gromann, 1561 in die flämische Kunstmetropole Antwerpen, wo er die Kunst des Cornelis Floris aus erster Hand kennenlernen konnte. In den Jahren nach seiner Rückkehr schuf Gromann, neben einigen kleineren Grabdenkmälern in Thüringen und Franken, in einem reinen Floris-Stil für die herzogliche Grablege in Weimar drei herausragend qualitätvolle Alabaster-Epitaphien: Mit großer zeitlicher Verzögerung 1571 am Choreingang aufgestellt wurden die beiden Epitaphien für ►Herzogin Agnes (†1555) und ►Herzog Johann Friedrich III. d. J. (†1565), etwas später entstand Gromanns Hauptwerk, das deutlich größere ►Epitaph für Herzog Johann Wilhelm (†1573).
In Erfurt bot zunächst die Errichtung repräsentativer Bürgerhäuser mit zum Teil reichem Bauschmuck Steinmetzen und Bildhauern kontinuierlich zahlreiche Arbeitsmöglichkeiten. Die wichtigsten Impulse zur Errichtung umfangreicher plastischer Kunstwerke gingen hier zuerst von den katholischen Stiftern des Doms und der St. Severikirche aus. Die künstlerische Entwicklung wurde dabei deutlich durch den auch für Erfurt tätigen Gothaer Sebastian Gromann beeinflusst. Ein steinernes, farbig gefasstes ►Hänge-Epitaph im Florisstil fertigte zur Anbringung in der Severikirche für den Domherrn Jakob Kranichfeld (†1570) der nachweislich seit 1564 in Erfurt als Bürger ansässige Bildhauer Matthes Steiner. Steiner war seit den späten 1550er Jahren für Fürsten, Adelige und Bürger in Mittelthüringen tätig. So trägt das ►Relief Gottvaters an der Bonifatiuskirche in Sömmerda (um 1562) sein Monogramm MS, ebenso einige qualitätvolle Figurengrabsteine unter anderem in der Familiengruft der Grafen von Gleichen in ►Gräfentonna, in den Kirchen von ►Wangenheim oder ►Mühlhausen (Blasiuskirche, für Hieronymus Tilesius, †1566). Durch die engen Verbindungen der katholischen Stiftsgeistlichen auf dem Erfurter Domberg mit den katholischen Angehörigen des Domstifts in Naumburg erklärt sich die Beauftragung des Erfurter Bildhauers Georg Köberlein 1567 mit der Errichtung der steinernen ►Altarwand im Ostchor des Naumburger Doms. Die figürliche Plastik der Altarwand, deren Architektur gotisches Maßwerk mit Renaissanceornament kombiniert, führte höchstwahrscheinlich in Teilen ebenfalls Matthes Steiner aus, der in diesem Zeitraum auch die kleinen, farbig gefassten Wandepitaphien für die Domherren ►Peter von Naumarck (†1576) und ►Günther von Bünau (†1591) in derselben Domkirche und das umfangreichere ►Epitaph des letzten katholischen Bischofs von Naumburg Julius von Pflugk (†1564) im Dom von Zeitz schuf. Seit Mitte der 1570er Jahre wurde der Erfurter Dom mit drei monumentalen plastischen Ausstattungsstücken geschmückt: einem ►Sakramentshaus, dem 1576 datierten ►Epitaph für Johann von der Weser und einer vor 1587 vollendeten ►Taufanlage. Mit der Ausführung der Bildschnitzereien der Baldachinarchitektur dieser Anlage wurde der Bildhauer Hieronymus Preußer beauftragt, den Taufstein lieferte hingegen Hans (I) Friedemann d. Ä. († nach 1587). Dieser seit 1569 in Erfurt nachweisbare Meister begründete die bedeutendste thüringische Bildhauerdynastie des 16. und frühen 17. Jahrhunderts. Aus seiner Werkstatt gingen zahlreiche plastische Werke sowohl in Holz und Stein hervor, die sich vor allem, aber nicht ausschließlich in Erfurt erhalten haben. Wiederholt arbeitete er auch mit dem Erfurter Bronze- und Glockengießer Melchior Möhring zusammen, so zur Fertigung der ►Bronzegrabplatten für Henning Hopfe (†1573) und ►für Konrad von Breitenbach (†1579) im Erfurter Dom. Überwiegend umfangreiche, steinerne und zumeist farbig gefasste Wandepitaphien der Friedemann-Werkstatt finden sich in Erfurt unter anderem in der Predigerkirche (►Mues, †1597), der Kaufmannskirche (►Ziegler, †1584; ►von Tettau, 1585; ►von der Sachsen, †1590), in der Lorenzkirche (►Ebersbach, †1581; ►Fensterer, †1581; ►von Milwitz, †1588). Auch lieferte die Werkstatt ►figürlichen Schmuck für das Patrizierhaus zum Breiten Herd am Fischmarkt (Fünf-Sinne-Zyklus, 1584). Hans (II) Friedemann d. J. († vor 1605) und sein gleichnamiger Cousin Hans (III) Friedemann (†1629) führten die Werkstatt fort. Neben etlichen Grabplatten zählt zu ihren Arbeiten die reich geschmückte ►Holzkanzel der Erfurter Kaufmannskirche (1598).
Ein weiterer bedeutender Bildhauer dieser Jahre ist der aus Norddeutschland stammende, seit 1588 als Bürger in Erfurt ansässige Israel von der Milla (†1606), Meister des ►Epitaphs für Jakob und Anna Naffzer (†1586 und 1603) in der Erfurter Predigerkirche sowie der ►Rolandfigur auf dem Erfurter Fischmarkt. Schon viele Jahre vor seinem Bürgerrechtserwerb war von der Milla mitunter maßgeblich an der Ausführung der Aufträge etablierter thüringischer Meister beteiligt. Einer dieser Meister war Moritz Becke, der seit den späten 1560er Jahren in dem wenig nördlich von Erfurt gelegenen Landstädtchen Gebesee eine große Bildhauerwerkstatt leitete, in der einige der umfangreichsten und originellsten plastischen Werke des späten 16. Jahrhunderts in Thüringen entstanden. Zu seinen Hauptwerken zählen die Epitaphien ►von Bodenhausen im nordosthessischen Witzenhausen (1575) und ►von Kannawurf in Kannawurf (1579), das monumentale ►Epitaph von Werther in Kölleda (1586), ►Altar, Kanzel und Epitaph in der Kirche von Kleinwerther sowie das ►Epitaph von Berlepsch in Kleinurleben (vor 1589). Im Südosten Sachsen-Anhalts schließt sich an den Tätigkeitsradius dieser Werkstatt das Einzugsgebiet des Bildhauers Christoffel Weber aus Freyburg a. d. Unstrut an. Im Auftrag der Gutsherrenfamilie von Wiehe schuf Webers Werkstatt zwischen 1568 und 1598 für die ►Kirche von Burgscheidungen eines der schönsten skulpturalen Ensembles der Spätrenaissance in der weiteren Region, bestehend aus steinernen, farbig gefassten Ausstattungsstücken und Epitaphien. Etliche Steinbildwerke, überwiegend Figurengrabsteine, hinterließ in den Kirchen der Region der hier zeitgleich tätige Monogrammist HK.
Die Grafen von Schwarzburg ließen insbesondere seit der Jahrhundertmitte in ihren über Thüringen verteilten Residenzen in Arnstadt, Rudolstadt, Sondershausen und Bad Frankenhausen ehrgeizige Schlossbauprojekte verwirklichen und repräsentative Grabdenkmäler errichten. Teile der erforderlichen Mittel erwarben sie als kaiserliche Heerführer in den Niederlanden, was die Berufung niederländischer Meister begünstigte. So leitete die Umgestaltung des Schlosses in Rudolstadt ab 1573 Georg Robin (nach 1540–um 1610) aus dem flämischen Ypern, Angehöriger einer in diesen Jahren vielerorts in Deutschland tätigen Baumeister- und Bildhauerfamilie. Im Zuge dieser Baumaßnahmen entstand ein von mehreren Figuren bekröntes ►Portal im Schlossinnenhof. Möglicherweise ebenfalls unter Mitwirkung der Familie Robin entstand auch das ►Epitaph für die Grafen Günther „den Streitbaren“ von Schwarzburg (†1583) und seine Gemahlin (um 1587) in der Liebfrauenkirche in Arnstadt. Auftragnehmer des Denkmals war nachweislich der Arnstädter Christoph Junghans, der neben seiner Tätigkeit als gräflicher Baumeister eine bedeutende Bildhauerwerkstatt leitete. Für den Meister gesichert sind der ►Brunnen auf dem Arnstädter Hopfenmarkt (1573, heute zum Teil Kopie) und das kleine ►Epitaph für Christoph von Entzenberg (†1585) in Dornheim. Für Orte weit außerhalb der Grenzen Thüringens entstanden im Auftrag thüringischer Adeliger, ausgeführt wohl von zum Teil in den Niederlanden geschulten Bildhauern aus dem Umfeld der Arnstädter Werkstatt, das umfangreiche ►Epitaph für Henning von Bortfeld (†1576) und Familie in der Benediktikirche in Quedlinburg wie auch das ►Epitaph für Friedemann von Selmnitz (†1576) und Familie (vollendet 1584) in der Stadtkirche von Delitzsch, letzteres von einer in Sachsen damals neuartigen Monumentalität. Die Anregung für diese ambitionierten Adelsgrabdenkmäler könnte von einer nicht erhaltenen, außerordentlich umfangreichen und prächtigen Grabanlage der Grafen von Schwarzburg in der Andreaskirche in Sondershausen ausgegangen sein, die unter maßgeblicher Beteiligung Israel von der Millas bis 1581 fertiggestellt wurde. Mit dem aus Pößneck stammenden, ab 1586 in Rudolstadt ansässigen Nikolaus Bergner († um 1609/13) war ein weiterer bedeutender Bildhauer für das thüringischen Grafengeschlecht tätig. Umfangreiche Epitaphien des Meisters aus farbig gefasstem Alabaster und Sandstein befinden sich im südhessischen ►Darmstadt (für Graf Philipp VI. von Waldeck, 1582), in ►Rudolstadt (Familie Schönfeld, 1591/93) und in ►Coburg (Herzog Johann Friedrich II., 1595/98). Im Süden Thüringens residierte das Geschlecht der Grafen von Henneberg in Schleusingen. Für die hiesige Stadtkirche St. Johannes fertigte um 1573 der Bildhauer Bernhard Ell aus Schweinfurt die ►Epitaphien der Grafen Georg Ernst (†1583) und Elisabeth von Henneberg. Nach dem Erlöschen des hennebergischen Grafengeschlechts 1583 fiel Schmalkalden an die Landgrafen von Hessen-Kassel, die hier unter Leitung ihres Baumeisters und Bildhauers Wilhelm Vernuken (†1607) ab 1585 als Nebenresidenz das mit ►ornamentaler und figürlicher Stuckplastik im Floris-Stil außergewöhnlich prächtig ausgestattete Schloss Wilhelmsburg errichten ließen.
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