Skulptur in Mitteldeutschland

Spätgotik bis Frühbarock

Um circa 1550/60 begann sich der Orna­ment­stil der plas­ti­schen Werke unter nie­der­län­di­schem Ein­fluss erheb­lich zu wandeln. Maß­geb­lich war dabei die Ant­wer­pe­ner Werk­statt des Cor­ne­lis Floris de Vriendt, dessen Ent­würfe durch Druck­gra­phi­ken und seine zahl­rei­chen Schüler in Nord- und Mit­tel­eu­ropa ver­brei­te­tet wurden. Cha­rak­te­ris­ti­sche Schmuck­ele­mente dieses Stils sind durch­bro­che­nes, stark in den Raum auf­ge­bo­ge­nes Roll­werk, als Frucht­bün­del oder Frucht­körbe gestal­tete Abhäng­linge, Karya­ti­den und Hermen, Blatt­mas­ken, klas­si­sches Gebälk mit plas­ti­schen Akanthus‑, Bukranion- oder Tro­phä­en­frie­sen und kan­ne­lierte Säulen mit korin­thi­schen Kapi­tel­len. Die Bild­hauer in Dresden und Frei­berg schufen unter dem Ein­fluss ita­lie­ni­scher Künst­ler, die für die wet­ti­ni­schen Kur­fürs­ten alber­ti­ni­scher Linie tätig waren, ver­hält­nis­mä­ßig spar­sa­mer orna­men­tierte, archi­tek­to­nisch stren­gere, „klas­si­zis­ti­schere“ Werke, die enger dem Stil der ita­lie­ni­schen Hoch­re­nais­sance ent­spre­chen, ver­ar­bei­te­ten zugleich aber auch Ele­mente des Floris-Stils. Ab etwa 1580 führte der hier soge­nannte Beschlag­werk­stil Tek­to­nik und Orna­men­tik der Floris-Renaissance fort, wan­delte sie aber in der Gesamt­erschei­nung durch die Beto­nung bestimm­ter archi­tek­to­ni­scher und deko­ra­ti­ver Ele­mente, die sich zum Teil aus der Kunst­tisch­le­rei ablei­te­ten. Beliebt wurden nun flä­chi­ges Beschlag­werk, sehr viele runde, längs­ovale oder pris­men­för­mige Schmuck­knöpfe, oft zu Friesen oder Rahmen arran­giert, zahl­rei­che Löwen­maske und Engels­flüchte, Roll­werk­kar­tu­schen, stark ver­kröpf­tes, schlicht und monu­men­tal gestal­te­tes Gebälk, häufig Sarkophag-Gesimse, frei­ste­hende Säulen, oft paar­weise, mit reich gestal­te­ten Man­schet­ten und Obe­lis­ken im Aufsatz. Maß­geb­lich für die Ver­brei­tung dieser Orna­ment­stil­va­ri­ante waren Stiche des Nie­der­län­ders Hans Vre­de­man de Vries.
Nach der schwe­ren Krise der Bild­haue­rei am Ausgang der Spät­go­tik durch den Wegfall kirch­li­cher Auf­träge nahm die Gattung der Skulp­tur seit der Jahr­hun­dert­mitte erneut einen starken Auf­schwung. Zur Haupt­auf­gabe der Bild­hauer wurden nun häufig in Stein aus­ge­führte Grab­denk­mä­ler für Fürsten und Adel, die seit dem letzten Drittel des Jahr­hun­derts mit­un­ter zu monu­men­ta­ler Größe gestei­gert wurden. Der land­säs­sige Adel trug seiner Ver­ant­wor­tung für das neu eta­blierte pro­tes­tan­ti­sche Kir­chen­we­sen nun vie­ler­orts durch die Stif­tung auf­wän­di­ger Aus­stat­tungs­stü­cke in den ihnen anver­trau­ten Patro­nats­kir­chen Rech­nung. Schritt­ma­cher dieser Ent­wick­lung war die Kon­kur­renz der Fürs­ten­höfe und die Ori­en­tie­rung des Adels an der höfi­schen Leit­kul­tur. Durch den Ausgang des Schmal­kal­di­schen Krieges 1547 fielen die säch­si­sche Kur­würde und bedeu­tende Ter­ri­to­rien der ernes­ti­ni­schen Linie  an die alber­ti­ni­schen Wet­ti­ner. Unter Kur­fürst Moritz und ins­be­son­dere seinem Nach­fol­ger August von Sachsen stiegen die Alber­ti­ner damit zur poli­tisch und kul­tu­rell domi­nie­ren­den Macht in Mit­tel­deutsch­land auf.

Dresden

Die alber­ti­ni­sche Haupt­re­si­denz Dresden ent­wi­ckelte sich in Folge dieser Ereig­nisse zur wich­tigs­ten mit­tel­deut­schen Resi­denz­stadt. Die füh­ren­den Bild­hauer waren hier ab etwa 1555 Hans (II) Walther (1526–1585) und Chris­toph (II) Walther (1534–1584). Wich­tige Arbei­ten aus der Werk­statt Hans Walt­hers sind das zum Andenken an den 1553 gefal­le­nen Gründer des alber­ti­ni­schen Kur­fürs­ten­hau­ses gestif­tete ►Moritz­mo­nu­ment an der Dresd­ner Moritz­bas­tei, der ►ehe­ma­lige Altar der Dresd­ner Frau­en­kir­che (1571/73), heute in Bad Schandau, und das gemein­sam mit Chris­toph Walther geschaf­fene ►Kenotaph der Wet­ti­ner auf dem Peters­berg bei Halle (1567). Der pro­duk­ti­ven Werk­statt Chris­toph Walt­hers ver­dankt sich mit dem ►Epitaph des Hugo von Schön­burg (†1566) in Wal­den­burg eines der ersten Grab­denk­mä­ler in der wei­te­ren Region, welches die fast voll­plas­ti­sche Figur eines beten­den Ado­ran­ten vor eine Bild­wand stellt. In großem Umfang ent­stand ab den mitt­le­ren Jahren des 16. Jahr­hun­derts plas­ti­scher Schmuck für das Dresd­ner Resi­denz­schloss, dar­un­ter mehrere große, in jün­ge­rer Ver­gan­gen­heit rekon­stru­ierte Reliefs im Schlos­sin­nen­hof und das ►Portal der Schloss­ka­pelle, die qua­li­tät­volle Gemein­schafts­ar­beit ita­lie­ni­scher und deut­scher Bild­hauer unter Juan Maria Pado­vano und Hans Walther in klas­si­schen Archi­tek­tur­for­men der ita­lie­ni­schen Hoch­re­nais­sance. 1575 wurde in Dresden der Bild­hauer und Archi­tekt Gio­vanni Maria Nosseni (1544–1620) aus Lugano in Tessin ansäs­sig. Als Kunst­in­ten­dant des kurfürstlich-sächsischen Hofes beein­flusste er die Kunst­ent­wick­lung maß­geb­lich in Sachsen und darüber hinaus bis zu seinem Tod 1620. Im Auftrag des Kur­fürs­ten erschloss er Alabaster- und Mar­mor­vor­kom­men, die in den fol­gen­den Jahr­zehn­ten vie­ler­orts im Reich für reprä­sen­ta­tive Bild­hau­er­ar­bei­ten ein­ge­setzt wurden und den Ein­fluss Nos­si­nis weit über die Grenzen Kur­sach­sens hinaus sicher­ten. Unter der Ägide Nos­se­nis arbei­tete die nächste Gene­ra­tion der füh­ren­den Dresd­ner Bild­hau­er­dy­nas­tie Andreas (III) (†1596), Michael (†1624), Chris­toph (IV) (†1626) und Sebas­tian Walther (1576–1645). Der seit 1586 regie­rende Kur­fürst Chris­tian trieb die reprä­sen­ta­tive Aus­ge­stal­tung seiner Haupt­re­si­denz mit großer Energie voran. Zur Aus­schmü­ckung der Dresd­ner Stadt­be­fes­ti­gung schuf der Werk­statt­erbe Andreas (III) Walther um 1593 durch alte Dar­stel­lun­gen über­lie­ferte Bild­hau­er­ar­bei­ten von hier bislang unbe­kann­ter Monu­men­ta­li­tät, dar­un­ter ein elf Meter hohes, von einer Justitia-Figur bekrön­tes Wappen und zwei lebens­große Rei­ter­bild­nisse. Nach dem frühen Tod des Meis­ters wuchs Sebas­tian Walther eine her­aus­ge­ho­bene Stel­lung unter den Dresd­ner Bild­hau­ern zu. Wahr­schein­lich durch eine Ita­li­en­reise begüns­tigt, bei der er unmit­tel­bar in Florenz, die Kunst des füh­ren­den euro­päi­schen Bild­hau­ers seiner Zeit kennen gelernt hatte, Gio­vanni da Bologna (1529–1608).

Von diesem Ein­fluss zeugt das kleine ►Epitaph für Lucas Cranach d. J. (1515–1586) in der Wit­ten­ber­ger Stadt­kir­che (1606). Nach Entwurf Nos­se­nis ins­be­son­dere durch die Walther-Brüder bis circa 1607 aus­ge­führt, wurde schließ­lich auch der ►ehe­ma­lige Hoch­al­tar der Dresd­ner Sophien­kir­che, der „Nosseni-Altar“, heute rekon­stru­iert in der Kirche von Dresden-Loschwitz. Das Haupt­werk der Dresd­ner Bild­haue­rei dieser Jahre ist der um 1612/13 errich­tete große ►Mar­mo­ral­tar in der Schloss­kir­che der kur­fürst­li­chen Lich­ten­burg bei Prettin zwi­schen Wit­ten­berg und Torgau, bedeu­tend auch der ►Epi­ta­phal­ter in der Dorf­kir­che von Borna bei Torgau (um 1609).

Freiberg

Die Grab­lege der nun haupt­säch­lich in Dresden resi­die­ren­den Alber­ti­ner ver­blieb im Dom ihrer vor­ma­li­gen Resi­denz Frei­berg und wurde nach der im Reich umstrit­te­nen Rang­erhö­hung auf Kosten der ernes­ti­ni­schen Wet­ti­ner als Ort dynas­ti­scher Reprä­sen­ta­tion überaus präch­tig aus­ge­stat­tet. Mit dem von säch­si­schen Hof­künst­lern ent­wor­fe­nen, 1563 auf­ge­stell­ten ►Frei­grab für Kur­fürst Moritz ent­stand für diese Grab­lege das wich­tigste plas­ti­sche Denkmal des mitt­le­ren 16. Jahr­hun­derts in Kur­sach­sen. Auch aus Kos­ten­grün­den vergab Kur­fürst August die Aus­füh­rung auf Ver­mitt­lung des Hof­gold­schmieds Hans Wessel an die Werk­statt des Ant­wer­pe­ner Bild­hau­ers Anton von Zerroen, der es in Ein­zel­tei­len aus ver­schie­den­far­bi­gem Marmor und Ala­bas­ter nach Sachsen lie­ferte. Abwei­chend von bis­he­ri­ger Praxis wurde dieses Werk auf Befehl des Kur­fürs­ten nicht in der Fläche farbig gefasst. Es wurde damit weg­wei­send für eine im Fol­gen­den häufig stein­sich­tig belas­sene Skulp­tur. 1589 bis 1594 wurde die Umge­stal­tung des Dom­chors zur kur­fürst­li­chen Grab­lege unter Leitung Gio­vanni Maria Nos­se­nis durch die Errich­tung von ►Wan­d­e­pi­ta­phien und die auf­wen­dige Aus­schmü­ckung des Gewöl­bes mit Plastik und Malerei spek­ta­ku­lär voll­endet. Für das Projekt holte Nosseni den inter­na­tio­nal renom­mier­ten Flo­ren­ti­ner Bild­hauer und Bron­ze­gie­ßer Carlo di Cesare (1538–1598) und etliche andere ita­lie­ni­sche Künst­ler nach Frei­berg. An der Aus­füh­rung betei­ligt waren auch die in Frei­berg beson­ders zahl­reich ansäs­si­gen Stein­metze und Bildhauer.Die Frei­ber­ger Bild­haue­rei zählte im 16. und 17. Jahr­hun­dert durch ihre Pro­duk­ti­vi­tät und durch die Größe ihres Ein­zugs­ge­biets zu den bedeu­tends­ten deut­schen Bild­hau­er­schu­len. Führend waren hier die Fami­lien Lorentz, Beseler, Grün­ber­ger, Eck­hardt und Dit­te­rich. Aus der Werk­statt des Frei­ber­ger Rats­stein­metz, Bau­meis­ters und Bild­hau­ers Andreas Lorentz († vor 1588) stammen unter anderem die ►Kanzel in der Jako­bi­kir­che in Frei­berg (um 1564), der ►Altar in der Schloss­ka­pelle in Rochs­burg (1576), wie wohl auch das statt­li­che ►Frei­grab des Wolf von Schön­burg (†1581) und Gemah­lin in der dor­ti­gen Stadt­kir­che sowie das eben­falls farbig gefasste ►Epitaph von Schön­berg im erz­ge­bir­gi­schen Gelenau (1581). Mit seinen Söhnen Samuel Lorentz († vor 1596) und Uriel Lorentz (†1585) schuf er mit dem ►Epitaph für Caspar II. von Schön­berg (†1578) in der Mari­en­kir­che von Sayda eines der größten Grab­denk­mä­ler dieser Jahre in Ober­sach­sen. Elias Beseler (†1591) arbei­tete mit der wich­ti­gen Frei­ber­ger Kunst­gie­ßer­werk­statt von Wolf Hillger (†1576) zusam­men (►Mes­sin­g­e­pi­taph für Sebas­tian Hillger (†1570) in der Leip­zi­ger Tho­mas­kir­che, signiert EB). Sein Bruder Peter Beseler d. J. (†1601) signierte die geschnitzte ►Kanzel der Niko­lai­kir­che in Geit­hain (1597) und war in den 1590er Jahren an der Aus­ge­stal­tung der Frei­ber­ger Fürs­ten­grab­lege betei­ligt. Haupt­ver­tre­ter des stren­gen tek­to­ni­schen Stils der soge­nann­ten „Nosseni-Schule“ waren die Bild­hauer der Familie Grün­ber­ger, deren Stamm­va­ter, der ver­mut­lich aus Nürn­berg stam­mende Bild­hauer Thomas Grün­ber­ger, 1556 das Frei­ber­ger Bür­ger­recht erwarb. Seine Söhne Michael Grün­ber­ger d. Ä. (†1598) und Jonas Grün­ber­ger d. Ä. (†1608) zählten zu den engen Mit­ar­bei­tern des kur­säch­si­schen Kunst­in­de­ten­dan­ten Gio­vanni Maria Nosseni. Die umfang­rei­chen Epi­ta­phien der Werk­statt aus ver­schie­den­far­bi­gen Alabaster- und Mar­mor­va­rie­tä­ten finden sich zwi­schen dem sächsisch-böhmischen Grenz­raum, Süd­bran­den­burg und Mit­tel­thü­rin­gen. Zu den Haupt­wer­ken der Werk­statt zählen das ►Schulenburg-Epitaph im bran­den­bur­gi­schen Lie­be­nau, der ►Altar in der Niko­lai­kir­che in Geit­hain (1595–1608) sowie zwei her­zog­li­che Epi­ta­phien in Weimar (1594 und 1596). Ein wei­te­rer wich­ti­ger Mit­ar­bei­ter Nos­se­nis war der Frei­ber­ger Rats­stein­metz Hie­ro­ny­mus Eck­hardt d. J. († 1624), der 1590–93 als Polier der Stein­metze an der Aus­ge­stal­tung der Frei­ber­ger Fürs­ten­grab­lege mit­wirkte. Sein Sohn Uriel Eck­hardt (1582–1612) gilt als Haupt­meis­ter des großen ►Epi­taphs für Caspar und Agnes von Schön­berg d. J. (†1605 und 1609) in Sayda. Zuerst 1557 mit Lorenz Dit­te­rich in Frei­berg nach­weis­bar, eta­blierte sich gegen den erbit­ter­ten Wider­stand der Frei­ber­ger Stein­metz­zunft die aus dem Maler­hand­werk kom­mende Familie Dit­te­rich als weithin erfolg­rei­che Bild­schnit­zer­fa­mi­lie in der bedeu­ten­den Berg­bau­stadt. Der Werk­statt­erbe Franz Dit­te­rich d. Ä. (†1607) schuf später unter umfas­sen­der Mit­ar­beit seiner Söhne Franz d. J. und Bern­hard, statt­li­che und inno­va­tive Werke der Bild­schnit­ze­rei für Kirchen in Sachsen und Böhmen, dar­un­ter ►Schnitz­al­tar und Kanzel von Otten­dorf bei Pirna (1591), die ►Kanzel in der St. Niko­lai­kir­che in Puls­nitz (um 1600) und den beson­ders bemer­kens­wer­ten ►Epi­ta­phaltar in der Kirche von Strehla (1605). Nach dem Tod des Vaters fer­tigte Franz Dit­te­rich d. J. (1581–1624) das präch­tige ►Epitaph Hole­wein (†1607 und 1617) im Frei­ber­ger Dom. – Wert­volle Bei­spiele der Frei­ber­ger Bild­schnit­ze­rei dieser Jahre haben sich im Frei­ber­ger Stadt- und Berg­bau­mu­seum erhal­ten, dar­un­ter Teile des ehe­ma­li­gen ►Schnitz­al­tars der Kapelle von Schloss Freu­den­stein in Frei­berg, geschaf­fen um 1577 von dem kur­säch­si­schen Hof­tisch­ler und Bild­schnit­zer Georg Flei­scher d. Ä. (†1604).

 

Eben­falls unter Leitung eines Frei­ber­ger Bild­hau­ers namens Simon Hoff­mann ent­stand zwi­schen 1605 und 1608 der präch­tige ►Bau­schmuck der Spät­re­nais­sance des Schlos­ses in Mer­se­burg. Der Frei­ber­ger Michael Hege­wald († nach 1640) grün­dete in Chem­nitz, wo er seit 1595 nach­weis­bar ist, eine Werk­statt, die Stadt und Region wenigs­tens bis zum Ein­bruch des Krieges um 1630 mit Bild­hau­er­ar­bei­ten ver­sorgte. Zu diesen Arbei­ten zählen unter anderem Aus­stat­tungs­stü­cke in den Kirchen von ►Chemnitz-Rabenstein (Tauf­stein, 1595) und ►Nie­der­lich­tenau (Kanzel, 1615).

Zentren im südöstlichen und nördlichen Sachsen

Zentren im süd­öst­li­chen und nörd­li­chen Sachsen
Auch Pirna ent­wi­ckelte sich seit dem späten 16. Jahr­hun­dert dank seiner ver­kehrs­güns­tig nahe der Elbe gele­ge­nen, hoch­wer­ti­gen Sand­stein­vor­kom­men zu einem klei­ne­ren Haupt­ort der Bild­haue­rei, welcher eng mit der nahen Resi­denz Dresden ver­bun­den war. So lie­ferte der seit 1582 in Pirna nach­weis­bare Bild­hauer Mel­chior Jobst gemein­sam mit dem Pirnaer Stein­metz Paul Leubel 1589 nicht nur den plas­ti­schen Schmuck für das Haupt­por­tal der ehe­ma­li­gen Kreuz­kir­che in Dresden, sondern schon 1586 auch einen ebenso wenig erhal­te­nen Brunnen auf dem Leip­zi­ger Nasch­markt. 1575 ließ sich der Tor­gauer Andreas Buschwitz (†1582) in Pirna nieder. Zu seinen Arbei­ten zählen der plas­ti­sche Schmuck des Tor­gauer Rat­hau­s­er­kers (1577–79), Wappen an den ►Emporen der Pirnaer Stadt­kir­che (1577/78) und das ►Epitaph des Karl von Sch­le­i­nitz (†1577) in Wit­ten­berg. Wohl bei Buschwitz lernte mit Michael Schwenke (1563–1610) einer der her­vor­ra­gends­ten mit­tel­deut­schen Bild­hauer der Spät­re­nais­sance. Gemein­sam mit seinem Bruder David Schwenke (1575–1620) geschaf­fene Haupt­werke sind das ►sand­stei­nerne Altarr­e­ta­bel der Pirnaer Stadt­kir­che (1610/12) sowie das beson­ders ein­drucks­volle plas­ti­sche ►Ensem­ble der Kirche im erz­ge­bir­gi­schen ►Lau­en­stein, bestehend aus Portal, Tauf­stein, Kanzel, Altar (1594/1602) und dem umfang­rei­chen vierg­schos­si­gen Bünau-Epitaph, letz­te­res aus­ge­führt 1611–13 von der Werk­statt des Pirnaer Bild­hau­ers Lorenz Hornig (†1624). Mit Hans (1589–1634) und Daniel Schwenke (1596–1623), den Söhnen seines Bruders, führte David Schwenke die Werk­statt nach 1610 fort. Lorenz Hornig wurde ver­mut­lich nach Mit­ar­beit in der Schwenke-Werkstatt 1601 Meister in Pirna und 1611 in der Nach­folge Michael Schwen­kes Ober­meis­ter der Steinmetzen- und Mau­rer­zunft.
Elb­ab­wärts in Meißen ver­sorgte Hans Köhler d. J. († 1624) Orte im wei­te­ren Umkreis der Stadt mit Stein­bild­hau­er­ar­bei­ten. Für ihn urkund­lich gesi­chert sind die ►Kanzel in der Kirche von Tau­ben­heim (1598) und der reiche ►Tauf­stein in der Niko­lai­kir­che in Döbeln (1602). Weitere Werke hin­ter­ließ er in Nord­böh­men, wo er in den 1590er Jahren für die Familie von Saal­hau­sen tätig war.

 

Torgau verlor mit dem Schmal­kal­di­schen Frieden von 1547 seine Stel­lung als Haupt­re­si­denz der ernes­ti­ni­schen Wet­ti­ner, blieb aber eine wich­tige Neben­re­si­denz der neuen alber­ti­ni­schen Lan­des­her­ren. Georg Schrö­ter (†1586) und sein Bruder Simon Schrö­ter d. J. († ver­mut­lich 1573) führten hier ab 1560 die Werk­statt des Vaters zu höchs­ter Bedeu­tung. Ihre zum Teil umfang­rei­chen Arbei­ten finden sich heute in Sachsen-Anhalt, Sachsen, Bran­den­burg, Meck­len­burg und Nie­der­sach­sen. Bei dem ►Altar für die Schloss­ka­pelle der meck­len­bur­gi­schen Resi­denz Schwe­rin von 1562 (heute im Staat­li­chen Museum Schwe­rin) kom­bi­nier­ten die Tor­gauer nach heu­ti­gem Kennt­nis­stand als erste mit­tel­deut­sche Bild­hau­er­werk­statt des 16. Jahr­hun­derts Sand­stein mit Ala­bas­ter. Große Ala­bas­ter­e­pi­ta­phien von weg­wei­sen­der Bedeu­tung ent­stan­den in der Tor­gauer Werk­statt für die Kirchen in ►Wit­ten­berg (Epitaph des Stu­den­ten Mat­thias von Schu­len­burg, 1571), ►Amp­furth (Hein­rich von der Asse­burg, †1575) und dem nie­der­säch­si­schen ►Peine. Bemer­kens­wert sind auch das stei­nerne Altarr­e­ta­bel in der Kirche von Wie­sen­burg (1561) und das huma­nis­ti­sche ►Grabmal des Dr. Georg von Kom­mer­städt (†1559) in der Kirche von Rei­ners­dorf. Georg Wit­ten­ber­ger (†1604) schnitzte 1582 die Kanzel der Tor­gauer Stadt­kir­che und über­nahm nach dem Tod Georg Schrö­ters 1586 dessen Stein­metz­hütte (►Epitaph von Lin­denau in der Kirche von Machern, circa 1600). 1581 erwarb der flä­mi­sche Bau­meis­ter und Bild­hauer Aegi­dius de Brugk (†1599) das Tor­gauer Bür­ger­recht. Sein Haupt­werk ist der reiche ►Epi­ta­phaltar der Familie von Sch­le­i­nitz in der Kirche von Cave­ritz (datiert 1588). Im nahe elb­auf­wärts gele­ge­nen Strehla ließ sich der Bild­hauer Samuel Hanauer nieder, Meister der präch­ti­gen, aus farbig gefass­ten Stein und Stuck gefer­tig­ten ►Aus­stat­tungs­stü­cke der Kirche im süd­bran­den­bur­gi­schen Lübben im Spree­wald (Altar, Kanzel, Tauf­stein, um 1610).

 

In Leipzig setzte mit dem aus Thü­rin­gen stam­men­den Bild­schnit­zer Valen­tin Sil­ber­mann (†1604) Mitte der 1580er Jahre der Wie­der­auf­stieg der Bild­haue­rei ein. Sil­ber­mann arbei­tete zuerst für den Kunst­tisch­ler und Bild­schnit­zer Hans Flan­der­ei­sen (†1590) und war mit diesem gemein­sam um 1590 für den Kur­fürs­ten in Dresden tätig. Für die Leip­zi­ger Kirchen schuf die Werk­statt heute über­wie­gend ver­lo­rene, mit reichen Bild­schnit­ze­reien ver­zierte Kanzeln, Altarr­e­ta­bel, Orgel­pro­spekte und Epi­ta­phien. Zu den wenigen nach­weis­lich erhal­te­nen Arbei­ten der Silbermann-Werkstatt zählen die ►Kanzel der alten Johan­nis­kir­che (1587), heute im Leip­zi­ger Stadt­mu­seum, ein relativ beschei­de­nes Früh­werk, der ►Aufsatz des spät­go­ti­schen Altarr­e­ta­bels der Leip­zi­ger Tho­mas­kir­che (1587), heute in der Luther­kir­che in Plauen, und die ►Kan­zel­de­cke in der Moritz­kir­che in Halle (1604). Außer­dem ist der Silbermann-Werkstadtt das ►Epitaph für Dr. Hein­rich Heideck (†1603) in der neuen Leip­zi­ger Uni­ver­si­täts­kir­che zuzuschreiben.

Sachsen-Anhalt

Halle bewahrte sich auch nach dem Weggang des mäch­ti­gen Kar­di­nals Albrecht von Ban­den­burg 1541 infolge der Refor­ma­tion seinen Wohl­stand und erlebte in der zweiten Hälfte des 16. Jahr­hun­derts eine wirt­schaft­li­che Blü­te­zeit. Der seit 1550 hier als Bürger ansäs­sige Stein­metz­bau­meis­ter Nickel Hoff­mann (†1592) leitete bis zu seinem Tod umfang­rei­che Bau­maß­nah­men. Einige der dafür zahl­reich in der Stadt ver­sam­mel­ten Stein­metze schufen in diesen Jahr­zehn­ten den qua­li­tät­vol­len Reli­ef­schmuck der stei­ner­nen ►Emporen der Markt­kir­che (1549–1554) und der Schwib­bö­gen des ►Hal­le­schen Stadt­got­tes­ackers (1557–1592). Als lei­tende Stein­met­zen Nickel Hoff­manns feder­füh­rend waren dabei sehr wahr­schein­lich der Parlier Thomas Rinck­ler (†1571) und nach seinem Tod der Mono­gram­mist A. I. Die Schnit­ze­reien des ►Lai­en­ge­stühls der Markt­kir­che St. Marien führte in den Jahren 1561–1575 der aus dem flä­mi­schen Ypern stam­mende Anto­nius Pau­waert aus. Auch die Figuren der stern­för­mi­gen ►Kan­zel­de­cke von 1595/96 in der­sel­ben Kirche stammen von einem aus­wär­ti­gen Bild­schnit­zer Hein­rich Hei­den­reu­ther, sehr wahr­schein­lich iden­tisch mit dem später in Hamburg ansäs­si­gen Henni Heidtreter.

 

Weiter west­lich beher­bergt der Dom von Hal­ber­stadt mit dem ►Epitaph des Erz­bi­schofs Fried­rich IV. von Bran­den­burg (voll­endet 1558) eines der ori­gi­nells­ten und bedeu­tends­ten Grab­denk­mä­ler der deut­schen Renais­sance, aus­ge­zeich­net durch ein anspruchs­vol­les Bild­pro­gramm, einen unkon­ven­tio­nel­len archi­tek­to­ni­schen Aufbau und die eigen­wil­lige Umset­zung der Floris-Ornamentik. Der Erz­bi­schof von Mag­de­burg und Hal­ber­stadt, Sohn des bran­den­bur­gi­schen Kur­fürs­ten Joachim II. von Hohen­zol­lern, starb 1552 nach kurzer Amts­zeit. Sein umfang­rei­ches Epitaph im Domchor unter­streicht den Anspruch der Hohen­zol­lern auf die Beset­zung der Bischofs­stühle in Mag­de­burg und Hal­ber­stadt. Aus­füh­ren­der Meister war der in Berlin ansäs­sige kur­bran­den­bur­gi­sche Hof­bild­hauer Hans Schenck, genannt Scheuß­lich († um 1571/72) Sein Schüler Zacha­rias Bogen­krantz ließ sich im nörd­li­chen Harz­vor­land in dem Dorf Sins­le­ben bei Erms­le­ben unter der Juris­dik­tion der bedeu­ten­den Adels­fa­mi­lie von Hoym nieder. Er ist ver­ant­wort­lich für mehrere der statt­lichs­ten Werke der Stein­bild­haue­rei in einer weiten Region zwi­schen Bran­den­burg und dem süd­li­chen Sachsen-Anhalt. Auf das archi­tek­to­nisch unge­wöhn­li­che ►Epitaph der Familie von Hoym in Erms­le­ben (um 1571) folgten Grab­denk­mä­ler unter anderem im alt­mär­ki­schen Amp­furth und Oebis­felde, in Bran­den­burg a. d. Havel, in Köthen und Hal­ber­stadt. Von monu­men­ta­ler Größe sind die Epi­ta­phien ►von Bila im Dom von Mer­se­burg (nach 1584) und ►von Trotha in Heck­lin­gen (nach 1597), von über­ra­gen­der Qua­li­tät auch die stei­nerne ►Kanzel der Moritz­kir­che in Halle (1592). Der Umfang dieser Werke setzt die Zusam­men­ar­beit von Bogen­krantz mit anderen fähigen Bild­hau­ern in seiner Region voraus. Neben ihm hier tätig waren auf beschei­de­ne­rem qua­li­ta­ti­vem Niveau unter anderem der Stein­metz Hans Michel aus Bern­burg (1589 ►Kanzel in Löbejün, mehrere Figu­ren­grab­steine) und der anonyme Meister des Penz-Epitaphs in der Kirche von Frie­de­burg (1582). Bislang ein Meister ohne Werk ist der Bild­hauer Martin de Inde­mann aus Hal­ber­stadt, der 1594 von Fürst Johann Georg von Anhalt mit der Fer­ti­gung eines nicht erhal­te­nen Alabaster-Epitaphs seiner Gemah­lin Doro­thea beauf­tragt wurde.

 

Vor allem dank großer Auf­träge des dor­ti­gen Dom­ka­pi­tels ent­wi­ckelte sich Mag­de­burg in den letzten Jahren des 16. Jahr­hun­derts rasch zu einem der wich­tigs­ten und inno­va­tivs­ten Zentren der Bild­haue­rei im deutsch­spra­chi­gen Raum. Die erste bedeu­tende Werk­statt dieser Mag­de­bur­ger Bild­hau­er­schule begrün­dete der aus Pirna stam­mende Hans Klintzsch. In einem wild-expressiven Stil schuf er für den Mag­de­bur­ger Dom drei große, mit Figuren und Orna­ment schwer bela­dene Standstei­n­e­pi­ta­phien: das acht Meter hohe ►Hänge-Epitaph für Werner von Plotho (†1598), das ►Stan­d­e­pi­taph für Lewin von der Schu­len­burg (†1587) und das im Aufbau gleich­ar­tige ►Epitaph für Johann von Bothmar (†1592). Chris­toph Kapup aus der nord­west­thü­rin­gi­schen Reichs­stadt Nord­hau­sen begrün­dete in der Dom­kir­che mit dem ►Epitaph des Dom­herrn Ernst von Man­dels­loh (†1602) (1595) die Tra­di­tion der großen Alabaster-Epitaphien. Das als beson­ders edel geschätzte Mate­rial wurde unter anderem bei Nord­hau­sen abge­baut. Von Man­dels­loh empfahl Kapup für den Auftrag zur Fer­ti­gung der ►Kanzel des Mag­de­bur­ger Doms. Die 1595–97 über­wie­gend in Marmor und Ala­bas­ter aus­ge­führte, reich geschmückte Kanzel wurde Vorbild wei­te­rer Kanzeln und kann zu den Haupt­wer­ken der Skulp­tur in Deutsch­land gezählt werden. An ihrer Aus­füh­rung war der Bild­hauer Sebas­tian Ertle († vor 1617) aus dem süd­deut­schen Über­lin­gen betei­ligt, der sich anschlie­ßend als der füh­rende Bild­hauer in Mag­de­burg eta­blierte. Die wich­tigs­ten erhal­te­nen Arbei­ten seiner Werk­statt sind die Epi­ta­phien für ►Wichard von Bredow (1601) und für ►Ludwig von Lochow (wohl um 1602/03), beide im Mag­de­bur­ger Dom, ►für Caspar von Kan­nen­berg (um 1605/06) im Dom von Hal­ber­stadt und ►für Mel­chior von Arn­stedt in der Stadt­kir­che von Jeri­chow (dat. 1609). Neben Ertle waren in Mag­de­burg nach 1600 eine Reihe wei­te­rer Meister tätig: Hans Hierzig stammte wie Ertle aus Über­lin­gen und arbei­tete jeden­falls zunächst in dessen Werk­statt. Sein bislang ein­zi­ges nach­weis­ba­res Werk ist das signierte ►Epitaph des Ehe­paars Chris­toph und Ursula Vitztum von Eck­stedt in der Unter­kir­che St. Nikolai in Burg bei Mag­de­burg (circa 1600/1610). Der Bild­hauer Michael Spies aus Meißen ließ sich nach seiner Heirat in Mag­de­burg nieder. Haupt­werke sind die stei­nerne ►Kanzel in der Kirche von Werben (1602) sowie ►Altar (1607), ►Tauf­stein (1611) und das ►Epitaph des Bür­ger­meis­ters Johs Rudolph (1609) in der Ober­kir­che in Burg. Hans Hacke aus dem alt­mär­ki­schen Werben arbei­tete zunächst für Hans Klintzsch und Michael Spies bevor er 1604 in Havel­berg eine eigene Werk­statt grün­dete. 1600-03 ent­stand unter seiner Leitung das große stei­nerne ►Altarr­e­ta­bel, 1610-12 die reiche ►Sand­stein­kan­zel in der Jaco­bi­kir­che in Stendal.

Niedersachsen

Wenig südlich von Braun­schweig bauten in diesen Jahren die Wel­fen­her­zöge ihre Resi­denz Wol­fen­büt­tel aus und beschäf­tig­ten dafür auch Bild­hauer. Herzog Julius II. von Braunschweig-Wolfenbüttel warb den aus Nord­ost­frank­reich stam­men­den hes­si­schen Hof­bild­hauer Adam Liquier (†1586) ab, der nach dem Tod seines Meis­ters Elias Gode­froy bis 1570 die Voll­endung des monu­men­ta­len ►Alabaster-Epitaphs für Land­graf Philipp den Groß­mü­ti­gen von Hessen in der Mar­tins­kir­che in Kassel gelei­tet hatte und nun zahl­rei­che, über­wie­gend nicht erhal­tene Arbei­ten in Wol­fen­büt­tel und andern­orts übernahm.In Braun­schweig leitete um 1580 die hier mut­maß­lich füh­rende Bild­hau­er­werk­statt Hans Seck (†1583), der ver­mut­lich vorher für den Tor­gauer Bild­hauer Georg Schrö­ter gear­bei­tet hatte. Durch das Mono­gramm HS für ihn gesi­chert, ist das 1582 datierte ►Epitaph für Asche von der Asse­burg (†1580) in Amp­furth. Das gro­ßen­teils in Ala­bas­ter aus­ge­führte ►Epitaph für Fried­rich von Britzke (†1576) im Dom von Hal­ber­stadt ist das erste Groß-Epitaph eines Dom­herrn, dem wenig später hier und vor allem in Mag­de­burg etliche weitere Denk­mä­ler dieser Art folgten. Die Werk­statt Secks über­nahm mit der Heirat seiner Witwe 1583 der Tisch­ler und Bild­schnit­zer Jürgen Röttger (1550–1623), der sie bis zu seinem Tod mit großem Erfolg fort­führte. Neben Aus­stat­tungs­stü­cken und Grab­denk­mä­lern der Braun­schwei­ger Kirche ent­stan­den in seiner Werk­statt eine Reihe figu­ren­rei­cher Groß­epi­ta­phien, vor allem für die im Gebiet des nörd­li­chen Sachsen-Anhalt reich begü­terte Familie von Alvens­le­ben (Erx­le­ben, Hun­dis­burg, Kalbe/Milde, Gar­de­le­gen und Neu­gat­ters­le­ben). Zu den frühen Arbei­ten der Werk­statt zählen in Braun­schweig der ►ehe­ma­lige Lettner der Brü­dern­kir­che (1592/94, ab 1987 rekon­stru­iert) und das ►Epitaph des Ludolf Schr­a­der (†1589) in der Katha­ri­nen­kir­che. Neben Seck und Röttger in Braun­schweig tätig waren in diesen Jahren unter anderem die Bild­hauer Weimar Hei­ne­mann (†1598), Bal­tha­sar Kircher († nach 1598), Jakob Mey­er­heine (†1615), der Meister des ►Prunk­por­tals des Juleums in Helm­stedt (1596/97), sowie der aus Stutt­gart stam­mende Stuck­bild­hauer Bern­hardt Klein (►Epitaph des Hans von Bülow (†1599) in der Katha­ri­nen­kir­che zu Oebisfelde).

 

In Hil­des­heim grün­dete Ebert Wulff († 1606/07) vor 1570 eine pro­duk­tive Bild­hau­er­werk­statt, der Grab­denk­mä­ler unter anderem in Einbeck, Braun­schweig, Harbke, Loccum und Bad Suder­ode zuge­wie­sen wurden. Zunächst als Mit­ar­bei­ter ihres Vaters, später als selb­stän­dige Meister führten Ebert Wulff d. J. (†1608/09), Hans Wulff (†1629) und Jonas Wulff (†1618/19) die Werk­statt zu hohem künst­le­ri­schem Rang. Für den Grafen Ernst zu Schaum­burg schufen sie in der gräf­li­chen Resi­denz Bücke­burg ab 1603 qua­li­ta­tiv hoch­ran­gige Bild­hau­er­ar­bei­ten, dar­un­ter die berühmte ►Goldene Pforte im Bücke­bur­ger Schloss, ein Haupt­werk des Manie­ris­mus in Deutsch­land, und etliche ►Skulp­tu­ren für die damals neu errich­tete Bücke­bur­ger Stadt­kir­che (Orgel­pro­spekt, Kanzel). Ein Bei­spiel für die Grab­mals­kunst der Wulff-Werkstatt findet sich mit dem höl­zer­nen ►Epitaph des Grafen Ernst (VII.) von Hon­stein (†1593) im ehe­ma­li­gen Kloster Wal­ken­ried (um 1602).

 

Thüringen

Umfang­reich und viel­ge­stal­tig ist auch der Bestand an Skulp­tur, der in Thü­rin­gen und im süd­li­chen Sachsen-Anhalt seit den 1560er Jahren ent­stand. Die seit 1547 vor­ran­gig in Gotha und Weimar resi­die­ren­den wet­ti­ni­schen Herzöge von Sachsen wählten den Chor der Stadt­kir­che in Weimar als neue Fami­li­en­grab­lege und sandten den jungen Gothaer Bild­hauer Sebas­tian Gromann, Sohn des her­zog­li­chen Lan­des­bau­meis­ters Nickel Gromann, 1561 in die flä­mi­sche Kunst­me­tro­pole Ant­wer­pen, wo er die Kunst des Cor­ne­lis Floris aus erster Hand ken­nen­ler­nen konnte. In den Jahren nach seiner Rück­kehr schuf Gromann, neben einigen klei­ne­ren Grab­denk­mä­lern in Thü­rin­gen und Franken, in einem reinen Floris-Stil für die her­zog­li­che Grab­lege in Weimar drei her­aus­ra­gend qua­li­tät­volle Alabaster-Epitaphien: Mit großer zeit­li­cher Ver­zö­ge­rung 1571 am Chor­ein­gang auf­ge­stellt wurden die beiden Epi­ta­phien für ►Her­zo­gin Agnes (†1555) und ►Herzog Johann Fried­rich III. d. J. (†1565), etwas später ent­stand Gro­manns Haupt­werk, das deut­lich größere ►Epitaph für Herzog Johann Wilhelm (†1573).

 

In Erfurt bot zunächst die Errich­tung reprä­sen­ta­ti­ver Bür­ger­häu­ser mit zum Teil reichem Bau­schmuck Stein­met­zen und Bild­hau­ern kon­ti­nu­ier­lich zahl­rei­che Arbeits­mög­lich­kei­ten. Die wich­tigs­ten Impulse zur Errich­tung umfang­rei­cher plas­ti­scher Kunst­werke gingen hier zuerst von den katho­li­schen Stif­tern des Doms und der St. Seve­ri­kir­che aus. Die künst­le­ri­sche Ent­wick­lung wurde dabei deut­lich durch den auch für Erfurt tätigen Gothaer Sebas­tian Gromann beein­flusst. Ein stei­ner­nes, farbig gefass­tes ►Hänge-Epitaph im Flo­ris­stil fer­tigte zur Anbrin­gung in der Seve­ri­kir­che für den Dom­herrn Jakob Kra­nich­feld (†1570) der nach­weis­lich seit 1564 in Erfurt als Bürger ansäs­sige Bild­hauer Matthes Steiner. Steiner war seit den späten 1550er Jahren für Fürsten, Adelige und Bürger in Mit­tel­thü­rin­gen tätig. So trägt das ►Relief Gott­va­ters an der Boni­fa­ti­us­kir­che in Söm­merda (um 1562) sein Mono­gramm MS, ebenso einige qua­li­tät­volle Figu­ren­grab­steine unter anderem in der Fami­li­en­gruft der Grafen von Glei­chen in ►Grä­fen­tonna, in den Kirchen von ►Wan­gen­heim oder ►Mühl­hau­sen (Bla­si­us­kir­che, für Hie­ro­ny­mus Tile­sius, †1566). Durch die engen Ver­bin­dun­gen der katho­li­schen Stifts­geist­li­chen auf dem Erfur­ter Domberg mit den katho­li­schen Ange­hö­ri­gen des Dom­stifts in Naum­burg erklärt sich die Beauf­tra­gung des Erfur­ter Bild­hau­ers Georg Köber­lein 1567 mit der Errich­tung der stei­ner­nen ►Altar­wand im Ostchor des Naum­bur­ger Doms. Die figür­li­che Plastik der Altar­wand, deren Archi­tek­tur goti­sches Maßwerk mit Renais­sance­or­na­ment kom­bi­niert, führte höchst­wahr­schein­lich in Teilen eben­falls Matthes Steiner aus, der in diesem Zeit­raum auch die kleinen, farbig gefass­ten Wan­d­e­pi­ta­phien für die Dom­her­ren ►Peter von Naum­arck (†1576) und ►Günther von Bünau (†1591) in der­sel­ben Dom­kir­che und das umfang­rei­chere ►Epitaph des letzten katho­li­schen Bischofs von Naum­burg Julius von Pflugk (†1564) im Dom von Zeitz schuf. Seit Mitte der 1570er Jahre wurde der Erfur­ter Dom mit drei monu­men­ta­len plas­ti­schen Aus­stat­tungs­stü­cken geschmückt: einem ►Sakra­ments­haus, dem 1576 datier­ten ►Epitaph für Johann von der Weser und einer vor 1587 voll­ende­ten ►Tauf­an­lage. Mit der Aus­füh­rung der Bild­schnit­ze­reien der Bal­da­chin­ar­chi­tek­tur dieser Anlage wurde der Bild­hauer Hie­ro­ny­mus Preußer beauf­tragt, den Tauf­stein lie­ferte hin­ge­gen Hans (I) Frie­de­mann d. Ä. († nach 1587). Dieser seit 1569 in Erfurt nach­weis­bare Meister begrün­dete die bedeu­tendste thü­rin­gi­sche Bild­hau­er­dy­nas­tie des 16. und frühen 17. Jahr­hun­derts. Aus seiner Werk­statt gingen zahl­rei­che plas­ti­sche Werke sowohl in Holz und Stein hervor, die sich vor allem, aber nicht aus­schließ­lich in Erfurt erhal­ten haben. Wie­der­holt arbei­tete er auch mit dem Erfur­ter Bronze- und Glo­cken­gie­ßer Mel­chior Möhring zusam­men, so zur Fer­ti­gung der ►Bron­ze­grab­plat­ten für Henning Hopfe (†1573) und ►für Konrad von Brei­ten­bach (†1579) im Erfur­ter Dom. Über­wie­gend umfang­rei­che, stei­nerne und zumeist farbig gefasste Wan­d­e­pi­ta­phien der Friedemann-Werkstatt finden sich in Erfurt unter anderem in der Pre­di­ger­kir­che (►Mues, †1597), der Kauf­manns­kir­che (►Ziegler, †1584; ►von Tettau, 1585; ►von der Sachsen, †1590), in der Lorenz­kir­che (►Ebers­bach, †1581; ►Fens­te­rer, †1581; ►von Milwitz, †1588). Auch lie­ferte die Werk­statt ►figür­li­chen Schmuck für das Patri­zi­er­haus zum Breiten Herd am Fisch­markt (Fünf-Sinne-Zyklus, 1584). Hans (II) Frie­de­mann d. J. († vor 1605) und sein gleich­na­mi­ger Cousin Hans (III) Frie­de­mann (†1629) führten die Werk­statt fort. Neben etli­chen Grab­plat­ten zählt zu ihren Arbei­ten die reich geschmückte ►Holz­kan­zel der Erfur­ter Kauf­manns­kir­che (1598).

 

Ein wei­te­rer bedeu­ten­der Bild­hauer dieser Jahre ist der aus Nord­deutsch­land stam­mende, seit 1588 als Bürger in Erfurt ansäs­sige Israel von der Milla (†1606), Meister des ►Epi­taphs für Jakob und Anna Naffzer (†1586 und 1603) in der Erfur­ter Pre­di­ger­kir­che sowie der ►Roland­fi­gur auf dem Erfur­ter Fisch­markt. Schon viele Jahre vor seinem Bür­ger­rechts­er­werb war von der Milla mit­un­ter maß­geb­lich an der Aus­füh­rung der Auf­träge eta­blier­ter thü­rin­gi­scher Meister betei­ligt. Einer dieser Meister war Moritz Becke, der seit den späten 1560er Jahren in dem wenig nörd­lich von Erfurt gele­ge­nen Land­städt­chen Gebesee eine große Bild­hau­er­werk­statt leitete, in der einige der umfang­reichs­ten und ori­gi­nells­ten plas­ti­schen Werke des späten 16. Jahr­hun­derts in Thü­rin­gen ent­stan­den. Zu seinen Haupt­wer­ken zählen die Epi­ta­phien ►von Boden­hau­sen im nord­ost­hes­si­schen Wit­zen­hau­sen (1575) und ►von Kan­na­wurf in Kan­na­wurf (1579), das monu­men­tale ►Epitaph von Werther in Kölleda (1586), ►Altar, Kanzel und Epitaph in der Kirche von Klein­wert­her sowie das ►Epitaph von Ber­lepsch in Klein­ur­le­ben (vor 1589). Im Süd­os­ten Sachsen-Anhalts schließt sich an den Tätig­keits­ra­dius dieser Werk­statt das Ein­zugs­ge­biet des Bild­hau­ers Chris­tof­fel Weber aus Frey­burg a. d. Unstrut an. Im Auftrag der Guts­her­ren­fa­mi­lie von Wiehe schuf Webers Werk­statt zwi­schen 1568 und 1598 für die ►Kirche von Burg­schei­dun­gen eines der schöns­ten skulp­tu­ra­len Ensem­bles der Spät­re­nais­sance in der wei­te­ren Region, bestehend aus stei­ner­nen, farbig gefass­ten Aus­stat­tungs­stü­cken und Epi­ta­phien. Etliche Stein­bild­werke, über­wie­gend Figu­ren­grab­steine, hin­ter­ließ in den Kirchen der Region der hier zeit­gleich tätige Mono­gram­mist HK.

 

Die Grafen von Schwarz­burg ließen ins­be­son­dere seit der Jahr­hun­dert­mitte in ihren über Thü­rin­gen ver­teil­ten Resi­den­zen in Arn­stadt, Rudol­stadt, Son­ders­hau­sen und Bad Fran­ken­hau­sen ehr­gei­zige Schloss­bau­pro­jekte ver­wirk­li­chen und reprä­sen­ta­tive Grab­denk­mä­ler errich­ten. Teile der erfor­der­li­chen Mittel erwar­ben sie als kai­ser­li­che Heer­füh­rer in den Nie­der­lan­den, was die Beru­fung nie­der­län­di­scher Meister begüns­tigte. So leitete die Umge­stal­tung des Schlos­ses in Rudol­stadt ab 1573 Georg Robin (nach 1540–um 1610) aus dem flä­mi­schen Ypern, Ange­hö­ri­ger einer in diesen Jahren vie­ler­orts in Deutsch­land tätigen Baumeister- und Bild­hau­er­fa­mi­lie. Im Zuge dieser Bau­maß­nah­men ent­stand ein von meh­re­ren Figuren bekrön­tes ►Portal im Schlos­sin­nen­hof. Mög­li­cher­weise eben­falls unter Mit­wir­kung der Familie Robin ent­stand auch das ►Epitaph für die Grafen Günther „den Streit­ba­ren“ von Schwarz­burg (†1583) und seine Gemah­lin (um 1587) in der Lieb­frau­en­kir­che in Arn­stadt. Auf­trag­neh­mer des Denk­mals war nach­weis­lich der Arn­städ­ter Chris­toph Jung­hans, der neben seiner Tätig­keit als gräf­li­cher Bau­meis­ter eine bedeu­tende Bild­hau­er­werk­statt leitete. Für den Meister gesi­chert sind der ►Brunnen auf dem Arn­städ­ter Hop­fen­markt (1573, heute zum Teil Kopie) und das kleine ►Epitaph für Chris­toph von Ent­zen­berg (†1585) in Dorn­heim. Für Orte weit außer­halb der Grenzen Thü­rin­gens ent­stan­den im Auftrag thü­rin­gi­scher Ade­li­ger, aus­ge­führt wohl von zum Teil in den Nie­der­lan­den geschul­ten Bild­hau­ern aus dem Umfeld der Arn­städ­ter Werk­statt, das umfang­rei­che ►Epitaph für Henning von Bort­feld (†1576) und Familie in der Bene­dik­ti­kir­che in Qued­lin­burg wie auch das ►Epitaph für Frie­de­mann von Selm­nitz (†1576) und Familie (voll­endet 1584) in der Stadt­kir­che von Delitzsch, letz­te­res von einer in Sachsen damals neu­ar­ti­gen Monu­men­ta­li­tät. Die Anre­gung für diese ambi­tio­nier­ten Adels­grab­denk­mä­ler könnte von einer nicht erhal­te­nen, außer­or­dent­lich umfang­rei­chen und präch­ti­gen Grab­an­lage der Grafen von Schwarz­burg in der Andre­as­kir­che in Son­ders­hau­sen aus­ge­gan­gen sein, die unter maß­geb­li­cher Betei­li­gung Israel von der Millas bis 1581 fer­tig­ge­stellt wurde. Mit dem aus Pößneck stam­men­den, ab 1586 in Rudol­stadt ansäs­si­gen Niko­laus Bergner († um 1609/13) war ein wei­te­rer bedeu­ten­der Bild­hauer für das thü­rin­gi­schen Gra­fen­ge­schlecht tätig. Umfang­rei­che Epi­ta­phien des Meis­ters aus farbig gefass­tem Ala­bas­ter und Sand­stein befin­den sich im süd­hes­si­schen ►Darm­stadt (für Graf Philipp VI. von Waldeck, 1582), in ►Rudol­stadt (Familie Schön­feld, 1591/93) und in ►Coburg (Herzog Johann Fried­rich II., 1595/98). Im Süden Thü­rin­gens resi­dierte das Geschlecht der Grafen von Hen­ne­berg in Schleu­sin­gen. Für die hiesige Stadt­kir­che St. Johan­nes fer­tigte um 1573 der Bild­hauer Bern­hard Ell aus Schwein­furt die ►Epi­ta­phien der Grafen Georg Ernst (†1583) und Eli­sa­beth von Hen­ne­berg. Nach dem Erlö­schen des hen­ne­ber­gi­schen Gra­fen­ge­schlechts 1583 fiel Schmal­kal­den an die Land­gra­fen von Hessen-Kassel, die hier unter Leitung ihres Bau­meis­ters und Bild­hau­ers Wilhelm Ver­nu­ken (†1607) ab 1585 als Neben­re­si­denz das mit ►orna­men­ta­ler und figür­li­cher Stuck­plas­tik im Floris-Stil außer­ge­wöhn­lich präch­tig aus­ge­stat­tete Schloss Wil­helms­burg errich­ten ließen.

 

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