Skulptur in MitteldeutschlandSpätgotik bis Frühbarock
BIOGRAMM
Im Jahr 1497 heiratete Kastrop in zweiter Ehe Katharina Heisen, mit deren Schwager, dem jüngeren Maler Heinrich Heisen, er in seiner Göttinger Zeit und bis zu seinem Tod zusammenarbeitete. So zum Beispiel an dem 1524 geweihten Hochhaltarretabel in Göttingen, das gleichzeitig sein letzte Arbeit darstellt. Seine Werkstatt war in der heutigen Junkern-Schänke in der Barfüßerstraße in Göttingen untergebracht und muss sehr erfolgreich gewesen sein. Hierfür steht der durch die Steuerabgaben nachvollziehbare, starke Anstieg seines Einkommens zu Anfang des 16. Jahrhunderts. Im Jahr 1531 oder 1532 verstirbt Kastrop und Hans Heisen übernimmt seine Werkstatt. Lange wurde vermutet, dass es sich bei Kastrop um einen Schüler Tilmann Riemenschneiders handle, da eine gewisse stilistische Verwandtschaft in deren Werken erkennbar ist. Diese Verwandtschaft muss allerdings eher aus der gemeinsamen südniedersächsischen Herkunft erklärt werden. Beide sind in etwa zeitgleich verstorben und damit als Zeitgenossen an zusehen.
Ein Blick in das Œuvre Kastrops offenbart, dass er vor allem Altäre im Typus des Reihenaltars anfertigte, also Schnitzaltäre mit einer zentralen Figur oder Figurengruppe im Mittelschrein. Bei Kastrop ist es oft eine apokalyptische Madonna auf der Mondsichel oder eine Marienkrönung, die durch weitere, aufgereihte Heiligenfiguren im Schreinkasten und in den Seitenflügeln flankiert wird. Aber auch Altäre mit Szenenreliefs lassen sich unter seinen Arbeiten finden sowie Standfiguren. Bei seinen Figuren entwickelte Kastrop einen wiedererkennbaren Personal-Stil. So bestechen sie durch eine liebliche Physiognomie mit einem Hang zum melancholischen Blick: volle Gesichter mit hoher Stirn auf einem kurzen Hals sitzend mit leichtem Doppelkinn, lange Nasen und durch ein rötliches Inkarnat betonte Wangenflächen. Die Haare sind meist in dicke Haarsträhnen mit gleichmäßigen Lockenschwüngen unterteilt. Charakteristisch sind auch die abfallenden Schultern und der geschlossene Umriß der Körperhaltung. Die Körper- und Gewandbehandlung lässt sich wie folgt beschreiben: Die Figuren weisen meist einen leichten S‑Schwung auf, der aus einem reduziertem Kontrapost entsteht; die Gliedmaßen deuten sich nur Ansatzweise unter dem Gewand an. Die Mäntel bilden meist eine große Schüsselfalte vor dem Krörper, die Untergwänder verlaufen in parallelen Röhrenfalten und die Säume wallen sich drastisch auf sowie die Mäntel sind vergoldet. Allgemein bleibt zur Stilentwicklung des Bildschnitzers Kastrop zusagen, dass die ersten Arbeiten, wie der signierte Geismarer Altar von 1499, einen thüringischen Einfluss offenbaren, der über seine Herkunft und die Nähe zum Eichsfeld nachvollziehbar ist. Der Hejtershauser-Altar von 1509 zeigt den Bildschnitzer in der Blüte seines Schaffens mit eigenem, ausgereiftem Stil. Sein Spätstil zeichnet sich allerdings durch einen gewissen Schematismus in der Figurenbehandlung aus, so dass seine Figuren teilweise formelhaft erstarrt wirken. Des Weiteren können stilistische Eigenheiten der Kastrop-Werkstatt auch im allgemeinen Aufbau der Schnitzretabel festgemacht werden. Einmal sind es die punzierten Goldgründe mit Granatapfel- oder Palmettenmuster und zum anderen die Schleierbretter aus Astwerk mit darin sitzenden Vögeln. Abschließend sei auf die Auseinandersetzung mit graphischen Vorlagen bei Kastrop hingewiesen, bei denen eine Vorliebe für die Holzschnitte Albrecht Dürers zu erkennen ist, die er jedoch für die Zwecke plastischer Werke frei variierte.
WERKE
BÜHLE
- Dorfkirche:
Passsionsrelief (Fragment), heute in Göttingen
EINBECK
- St. Alexander:
Klappaltar, um 1509 (Malerei Hans Raphon)
GEISMAR
- Martinskirche:
Flügelaltar, 1499 (Malerei Hans Raphon)
GÖTTINGEN
- Städtisches Museum:
weibliche Heiligenbüste, (ehem. Duderstadt)Mondsichelmadonna, (ehem. Duderstadt)
2 Bischofsfiguren (ursp. Fredelsloh) - Marienkirche des Deutsch-Ritter-Ordens:
Hochaltar, 1524–26, in Zusammenarbeit mit Heinrich Heisen
(nicht mehr im urspr. Zustand)
HAMBURG
- Museum für Kunst und Gewerbe:
Figur der Maria Magdalena (ehemals Sammlung Oertel)
HANNOVER
- Landesmuseum:
5 Standfiguren (Papst Sixtus, Hl. Andreas, Figur eines Papstes, Hl. Nikolaus, Hl. Bischof) :
HETJERSHAUSEN (GÖTTINGEN)
- St. Alexander:
Marienretabel, 1509, signiert
NIENSTEDT
- St. Martin:
Schnitzaltar, um 1515
OSTERODE
- St. Marien:
Flügelaltar, 1517 vollendet (Malerei Heinrich Heisen)
PADERBORN
- Diözesanmuseum:
Standfigur Anna Selbdritt, um 1515–20 (zugeschrieben durch Stuttmann/Osten)
WARBURG
- Alstädter Kirche:
Sippenrelief, 1515–20
MÜNCHEN
- Sammlung Eduard Grützner
Hl. Sebastian (2. Jahrzehnt 16. Jh.)Papst Petrus (2. Jahrzehnt 16. Jh.)
BIBLIOGRAPHIE
Eckhardt 1980 | Wolfgang Eckhardt: Eine Magdalenenfigur und andere Arbeiten des Göttinger Bildschnitzers Bartold Kastrop, in: Jahrbuch der Hamburger Kunstsammlungen 25 (1980), S. 27–50.
Girod 2012 | Kim Nina Girod: Das Hochaltarretabel der St. Marien-Kirche in Göttingen, in: Kunst und Frömmigkeit in Göttingen, die Altarbilder des späten Mittelalters, Berlin/München 2012, S. 258–282
Stuttmann/Osten 1940 | Ferdinand Stuttmann, Gert von der Osten: Niedersächsische Bildschnitzerei des späten Mittelalters, Berlin 1940, S. 96–103.
Wenig 1975 | Rudolf Wenig: Bartold Kastrop. Ein Bildschnitzer der Spätgotik in Südniedersachsen (Der Harz und Südniedersachsen / Sonderheft), Göttingen 1975.
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