Skulptur in Mitteldeutschland

Spätgotik bis Frühbarock

Bildhauer/Steinmetz nach­weis­bar 1523 bis 1541
 
Biogramm

Hans Schle­gel gilt als einer der Haupt­ver­tre­ter der soge­nann­ten Hal­le­schen Früh­re­nais­sance. Die Künst­ler­per­sön­lich­keit Schle­gels wurde von Rolf Hüni­cken in seiner 1936 erschie­ne­nen Studie „Halle in der mit­tel­deut­schen Plastik und Archi­tek­tur der Spät­go­tik und Früh­re­nais­sance 1450–1550“ kon­stru­iert, indem er aus­ge­hend von dem mit „H. S.“ signier­ten Epitaph von Blan­cken­berg in Eis­le­ben eine sti­li­sis­tisch ver­wandte Werk­gruppe dem in Halle nach­weis­ba­ren Hans Schle­gel zuschrieb. Bereits 1914 hatte Arnold Hil­de­brand (S. 108–111) mehrere dieser Bild­hau­er­ar­bei­ten vor­sich­tig einem unbe­kann­ten Meister zuge­ord­net und eine frän­ki­sche Prägung dieses Künst­lers ver­mu­tet. Da die archi­va­li­schen Quellen die Her­kunft Hans Schle­gels aus Franken wahr­schein­lich machen, konnte Hüni­cken seine nament­li­che Iden­ti­fi­ka­tion des Mono­gram­mis­ten mit dem Stil­be­fund Hil­de­brands unter­mau­ern. Die Iden­ti­tät des Mono­gram­mis­ten H. S. mit dem Hal­len­ser Hans Schle­gel kann nicht als sicher gelten, wurde aber von der nach­fol­gen­den For­schung als begrün­dete Hypo­these akzeptiert.

Hans Schle­gel erwarb im Früh­jahr 1523 gegen Ent­rich­tung von 5 Gulden das Bür­ger­recht der Stadt Halle. Als Bürge stellte sich dabei ein Steinmetz-Meister namens Hans. Der Eintrag im Bür­ger­buch lautet nach Hüni­cken (1936, S. 41): „Hans Schle­gel pro­mo­tus per Meister Hanß den Stein­met­zen, dedit 5 fl. et literas“. Dem Bürgen Meister Hans wurden zwi­schen 1519 und 1524 in der hal­le­schen Mari­en­kir­che am Markt die anfal­len­den Stein­metz­ar­bei­ten über­tra­gen (Hüni­cken 1936, S. 23–25). Er dürfte somit in Halle zu den ange­se­hens­ten Meis­tern seiner Zunft gezählt haben und es ist gut vor­stell­bar, dass der von aus­wärts zuge­wan­derte Stein­metz­ge­selle Hans Schle­gel zunächst in seiner Werk­statt Arbeit fand, bevor er mit seiner Heirat selbst das Bürger- und Meis­ter­recht erwarb. Aus dem Gemein­de­mit­glie­der­ver­zeich­nis der Jahre 1523–1534 geht hervor, dass „Hans Slegel“ und seine nament­lich nicht genannte Gattin in diesem Zeit­raum im Spren­gel der hal­le­schen Markt­kir­che St. Marien wohnten. In dem Regis­ter wird er 1523 zunächst als „Hans Francke alias Slegel“ ver­zeich­net, was auf seine Her­kunft aus Franken schlie­ßen lässt. 1532 und 1533 wird nur seine Frau genannt, 1534 war er wieder per­sön­lich in der Stadt anwesend.

Rolf Hüni­cken (1936, S. 41 f) benannte das kleine Wan­d­e­pi­taph des Grafen Günther von Mans­feld (gest. 1526) in der Mans­fel­der Schloß­ka­pelle als die frü­heste fest­stell­bare Arbeit des Meis­ters. Den Zusam­men­hang mit der hal­le­schen Bild­haue­rei dieser Jahre sah er durch die Ver­wen­dung des­sel­ben fein­kör­ni­gen Tuffs bestä­tigt, der auch für den gran­dio­sen Zyklus der Pfei­ler­fi­gu­ren im Dom von Halle zum Einsatz kam. Hüni­cken nennt dieses Epitaph auf­grund seiner archi­tek­to­ni­schen Gestal­tung mit seit­li­chen Pilas­tern und Rund­bo­gen­auf­satz „das erste Denkmal der voll­ent­wick­l­ten Früh­re­nais­sance­plas­tik Mit­tel­deutsch­lands“. Tat­säch­lich zählt es in der Groß­re­gion gemein­sam mit sehr wenigen anderen, etwa zeit­gleich ent­stan­de­nen Denk­mä­ler zu den ältes­ten erhal­te­nen Bild­hau­er­ar­bei­ten im archi­tek­to­ni­schen Stil der deut­schen Früh­re­nais­sance. In den fol­gen­den Jahren war der Meister offen­sicht­lich als Stein­metz am 1530 begon­ne­nen Neubau der Markt­kir­che in Halle betei­ligt: Sein Mogramm H. S. fand sich hier laut Hüni­cken (1936, S. 46) am Kaff­ge­sims der nörd­li­chen Mauer nahe dem West­turm. In den 1530er Jahren scheint Schle­gel dann für die Grafen von Mans­feld an dem ehr­gei­zi­gen Ausbau der Stamm­burg Mans­feld als Bild­hauer mit­ge­wirkt zu haben. Zu den frag­li­chen Arbei­ten zählen hier ein Tym­panon­re­lief des Wein­got­tes Bacchus, dessen Bil­der­fin­dung auf den ita­lie­ni­schen Maler Andrea Man­te­gna zurück­ge­führt werden konnte sowie der heute stark ver­wit­terte Erker an der Nord­west­ecke des „Gol­de­nen Saals“ des Schlos­ses Mit­tel­ort (vgl. Roch 1963, S. 772).

Die einzige bekannte Bild­hau­er­ar­beit der frag­li­chen Gruppe, die mit den Initia­len H. S. signiert wurde, ist das kleine, inschrift­lich 1540 datierte Epitaph für den Stadt­vogt Ber­har­di­nus Blan­cken­berg (gest. 1531) und seine viel­köp­fige Familie an der Außen­wand der Andre­as­kir­che in Eis­le­ben. Im selben Zeit­raum ent­stan­den das Epitaph für den Eis­le­ber Bür­ger­meis­ter Hans Stal (gest. 1541) auf dem Kro­nen­fried­hof in Eis­le­ben und die als Haupt­werk Schle­gels gel­tende Tumba des Grafen Hoyer VI. von Mansfeld-Vorderort, eines der ori­gi­nells­ten und bekann­tes­ten Grab­denk­mä­ler der deut­schen Früh­re­nais­sance mit einer figür­li­chen Mes­sing­grab­platte aus der renom­mier­ten Vischer-Werkstatt in Nürn­berg (vgl. Roch 1963, S. 775 f). Das um 1537–38 eben­falls in der Vischer-Werkstatt gegos­sene bron­zene Wan­d­e­pi­taph für Bischof Sigis­mund von Lin­denau im Dom von Mer­se­burg wird von zwei orna­men­tier­ten Stein­säu­len flan­kiert, auf denen jeweils Putti mit Lei­dens­werk­zeuge Christi stehen, mög­li­cher­weise wie­derum Arbei­ten Schle­gels, der auch an anderen Bild­hau­er­ar­bei­ten im Stil der Früh­re­nais­sance im Dom von Mer­se­burg betei­ligt gewesen könnte (vgl. Hil­de­brand 1914, S. 109 f und Haus­chke 2006, S. 371). Ver­mu­tet wurde auch seine Mit­ar­beit am Ausbau der Burg Arn­stein unter Graf Hoyer von Mans­feld in den 1530er Jahren. Hier hat sich an der Nord­west­ecke des Palas der Burg­ruine eine Wap­pen­ta­fel mit einem stark ver­wit­ter­ten Rahmen in Formen der deut­schen Früh­re­nais­sance erhal­ten (Roch 1963, S. 773).

Die mit dem Namen Hans Schle­gel ver­knüpfte Künst­ler­per­sön­lich­keit ist ein cha­rak­te­ris­ti­scher und wich­ti­ger Ver­tre­ter der deut­schen Früh­re­nais­sance. Die Tätig­keit seiner Werk­statt fällt in die Jahre, in denen der Erz­bi­schof von Mainz und Mag­de­burg Kar­di­nal Albrecht von Bran­den­burg (1490–1540) Halle durch Bau­werke und künst­le­ri­sche Aus­stat­tungs­pro­gramme zu einer her­aus­ra­gen­den geist­li­chen Pil­ger­desti­na­tion und Resi­denz aus­zu­ge­stal­ten suchte. Dadurch boten sich den hier ansäs­si­gen Stein­met­zen umfang­rei­che Arbeits­mög­lich­kei­ten und künst­le­ri­sche Anre­gun­gen. Ver­mit­telt über zumeist süd­deut­sche Druck­gra­fi­ken wurden im Umkreis des erz­bi­schöf­li­chen Hofes erst­ma­lig in der Region in Kunst­hand­werk, Malerei, Archi­tek­tur und Skulp­tur Schmuck­for­men der ita­li­en­si­chen Renais­sance ver­ar­bei­tet. Die für diese Über­gangs­phase typi­sche Ver­wand­lung der spät­go­ti­schen For­men­welt durch die Ein­be­zie­hung antiker Orna­ment­for­men und Bild­the­men spie­gelt sich in dem kleinen Oeuvre Schle­gels wider. Die kunst­his­to­ri­sche Bedeu­tung seiner Bild­hau­er­ar­bei­ten für die Grafen von Mans­feld besteht in ihrer Orgi­na­li­tät und in dem großen Sel­ten­heits­wert plas­ti­scher Werke dieses kurz­le­bi­gen Sonderstils.

 

Werke

EISLEBEN

  • St. Andreas:
    Grab­denk­mal für Graf Hoyer VI. Von Mansfeld-Vorderort (gest. 1540)

BURGRUINE ARNSTEIN

  • Pallas, Nord­west­ecke
    Rahmen einer älteren Wap­pen­ta­fel, um 1530–40 (stark hypo­the­ti­sche Zuschreibung)

EISLEBEN

  • St. Andreas:
    Grab­denk­mal für Graf Hoyer VI. von Mansfeld-Vorderort (1484–1540), datiert 1541
    Epitaph für den Stadt­vogt Bern­har­di­nus Blan­cken­berg (gest. 1531), signiert H. S. und datiert 1540
  • Kro­nen­fried­hof:
    Epitaph für den Bür­ger­meis­ter Hans Stal (gest. 1541) (Zuschrei­bung)

MANSFELD

  • Schloss Vor­der­ort:
    zwei Tympanon-Reliefs mit Bacchus- und Lands­knecht­dar­stel­lun­gen, um 1525 (Zuschrei­bung)
  • Schloss­kir­che:
    Epitaph für Graf Günther IV. (III.) von Mansfeld-Vorderort (1476–1526) und seine Frau Agnes, geb. von Glei­chen (gest. 1536) (Zuschrei­bung)
  • Schloss­ruine Mit­tel­ort:
    Erker des „Gol­de­nen Saals“ mit z.T. figür­li­cher Plastik, 1532 (Zuschrei­bung)

MERSEBURG

  • Dom:
    Epitaph für Bischof Sigis­mund von Lin­denau (gest. 1544) (unsi­chere Zuschrei­bung der Stein­ar­bei­ten an Hans Schlegel)
Bibliographie

Dehio Sachsen-Anhalt II 2002 | Georg Dehio: Hand­buch der deut­schen Kunst­denk­mä­ler. Sachsen-Anhalt II, Regie­rungs­be­zirk Halle, bearb. von Ute Bednarz, Folk­hard Cremer u. a., München 1999, S. 453, S. 474, S. 518–520.

Haus­chke 2006 | Sven Haus­chke: Monu­mente der „alten Kirche“. Grab­denk­mä­ler von Peter Vischer dem Älteren und Hans Vischer in Halle, Mer­se­burg und Eis­le­ben, in: Andreas Tacke (Hg.): Der Kar­di­nal Albrecht von Bran­den­burg, Renais­sance­fürst und Mäzen, Katalog der Aus­stel­lung vom 9. Sep­tem­ber bis 26. Novem­ber 2006 in Halle/Saale, Bd. 2 Essays, Regens­burg 2006, S. 365–377.

Hil­de­brand 1914 | Arnold Hil­de­brand: Säch­si­sche Renais­sance­por­tale und die Bedeu­tung der hal­li­schen Renais­sance für Sachsen (=Studien zur thüringisch-sächsischen Kunst­ge­schichte 2), Halle 1914, S. 58 f, S. 108–111, 117–119, 138, 149, 159, 193, 237–239 u. 255.

Hüni­cken 1936 | Rolf Hüni­cken: Halle in der mit­tel­deut­schen Plastik und Archi­tek­tur der Spät­go­tik und Früh­re­nais­sance 1450–1550 (=Studien zur thüringisch-sächsischen Kunst­ge­schichte 4), Halle 1936, S. 21, S. 33 u. S. 40–51.

Meys 2009 | Oliver Meys: Memoria und Bekennt­nis. Die Grab­denk­mä­ler evan­ge­li­scher Lan­des­her­ren im Hei­li­gen Römi­schen Reich Deut­scher Nation im Zeit­al­ter der Kon­fes­sio­na­li­sie­rung, Regens­burg 2009, S. 865.

Roch 1963 | Irene Roch, Zur Renais­sance­plas­tik in Schloss Mans­feld und Eis­le­ben, in: Wis­sen­schaft­li­che Zeit­schrift der Uni­ver­si­tät Halle. Gesellschafts- und Sprach­wis­sen­schaft­li­che Reihe 12 (1963), S. 765–783.

Roch 1967 | Irene Roch: Die Bau­ge­schichte der Mans­fel­der Schlös­ser mit ihren Befes­ti­gungs­an­la­gen und die Stel­lung der Schloss­bau­ten in der mit­tel­deut­schen Renais­sance, in: Burgen und Schlös­ser. Zeit­schrift für Bur­gen­for­schung und Denk­mal­pflege, Bd. 8 (1967), Nr. 2, S. 45–50, hier S. 48, Abb. 10–12.

Roch 1995 | Irene Roch: Die Schloß­ka­pelle zu Mans­feld und ihre Aus­stat­tung, in: Burg- und Schloss­ka­pel­len, Kol­lo­quium des Wis­sen­schaft­li­chen Beirats der Deut­schen Bur­gen­ver­ei­ni­gung, hrsg. von Barbara Schock-Werner, Stutt­gart 1995, S. 127–132, hier S. 129.

Roch-Lemmer 1996 | Irene Roch-Lemmer: Andre­as­kir­che. Luther­stadt Eis­le­ben (Schnell-Kunstführer, 2050), Regens­burg 1996, S. 18

(Text: Sebas­tian Schulze, 2021)

Text: Sebas­tian Schulze, 2021)

  • Mansfeld_Schlosskirche_Epitaph_Guenther Epitaph für Graf Günther IV. von Mans­feld Vor­der­ort (gest. 1526) in der Schloss­kir­che von Mansfeld
  • Tympanon-Relief eines Portals am Schloss Mans­feld mit Lands­knecht­dar­stel­lung, um 1525
  • Tumba des Grafen Hoyer VI. von Mansfeld-Vorderort in der Kirche St. Andreas in Eis­le­ben, datiert 1541
  • Eisleben,_St._ Andreas_Tumba_Graf_Hoyer_Detail_02 Detail der Tumba des Grafen Hoyer mit Leuchterengel
  • Eisleben,_St._ Andreas_Tumba_Graf_Hoyer_Detail Detail der Tumba des Grafen Hoyer mit Heiligen
  • Erker des ehem. Gol­de­nen Saals an der Schloss­ruine Mansfeld-Mittelort
  • Eisleben_Kronenfriedhof_Epitaph_Hans_Stal Epitaph des Bür­ger­meis­ters Hans Stal (gest. 1541) auf de

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