Skulptur in MitteldeutschlandSpätgotik bis Frühbarock
Biogramm
Hans Schlegel gilt als einer der Hauptvertreter der sogenannten Halleschen Frührenaissance. Die Künstlerpersönlichkeit Schlegels wurde von Rolf Hünicken in seiner 1936 erschienenen Studie „Halle in der mitteldeutschen Plastik und Architektur der Spätgotik und Frührenaissance 1450–1550“ konstruiert, indem er ausgehend von dem mit „H. S.“ signierten Epitaph von Blanckenberg in Eisleben eine stilisistisch verwandte Werkgruppe dem in Halle nachweisbaren Hans Schlegel zuschrieb. Bereits 1914 hatte Arnold Hildebrand (S. 108–111) mehrere dieser Bildhauerarbeiten vorsichtig einem unbekannten Meister zugeordnet und eine fränkische Prägung dieses Künstlers vermutet. Da die archivalischen Quellen die Herkunft Hans Schlegels aus Franken wahrscheinlich machen, konnte Hünicken seine namentliche Identifikation des Monogrammisten mit dem Stilbefund Hildebrands untermauern. Die Identität des Monogrammisten H. S. mit dem Hallenser Hans Schlegel kann nicht als sicher gelten, wurde aber von der nachfolgenden Forschung als begründete Hypothese akzeptiert.
Hans Schlegel erwarb im Frühjahr 1523 gegen Entrichtung von 5 Gulden das Bürgerrecht der Stadt Halle. Als Bürge stellte sich dabei ein Steinmetz-Meister namens Hans. Der Eintrag im Bürgerbuch lautet nach Hünicken (1936, S. 41): „Hans Schlegel promotus per Meister Hanß den Steinmetzen, dedit 5 fl. et literas“. Dem Bürgen Meister Hans wurden zwischen 1519 und 1524 in der halleschen Marienkirche am Markt die anfallenden Steinmetzarbeiten übertragen (Hünicken 1936, S. 23–25). Er dürfte somit in Halle zu den angesehensten Meistern seiner Zunft gezählt haben und es ist gut vorstellbar, dass der von auswärts zugewanderte Steinmetzgeselle Hans Schlegel zunächst in seiner Werkstatt Arbeit fand, bevor er mit seiner Heirat selbst das Bürger- und Meisterrecht erwarb. Aus dem Gemeindemitgliederverzeichnis der Jahre 1523–1534 geht hervor, dass „Hans Slegel“ und seine namentlich nicht genannte Gattin in diesem Zeitraum im Sprengel der halleschen Marktkirche St. Marien wohnten. In dem Register wird er 1523 zunächst als „Hans Francke alias Slegel“ verzeichnet, was auf seine Herkunft aus Franken schließen lässt. 1532 und 1533 wird nur seine Frau genannt, 1534 war er wieder persönlich in der Stadt anwesend.
Rolf Hünicken (1936, S. 41 f) benannte das kleine Wandepitaph des Grafen Günther von Mansfeld (gest. 1526) in der Mansfelder Schloßkapelle als die früheste feststellbare Arbeit des Meisters. Den Zusammenhang mit der halleschen Bildhauerei dieser Jahre sah er durch die Verwendung desselben feinkörnigen Tuffs bestätigt, der auch für den grandiosen Zyklus der Pfeilerfiguren im Dom von Halle zum Einsatz kam. Hünicken nennt dieses Epitaph aufgrund seiner architektonischen Gestaltung mit seitlichen Pilastern und Rundbogenaufsatz „das erste Denkmal der vollentwicklten Frührenaissanceplastik Mitteldeutschlands“. Tatsächlich zählt es in der Großregion gemeinsam mit sehr wenigen anderen, etwa zeitgleich entstandenen Denkmäler zu den ältesten erhaltenen Bildhauerarbeiten im architektonischen Stil der deutschen Frührenaissance. In den folgenden Jahren war der Meister offensichtlich als Steinmetz am 1530 begonnenen Neubau der Marktkirche in Halle beteiligt: Sein Mogramm H. S. fand sich hier laut Hünicken (1936, S. 46) am Kaffgesims der nördlichen Mauer nahe dem Westturm. In den 1530er Jahren scheint Schlegel dann für die Grafen von Mansfeld an dem ehrgeizigen Ausbau der Stammburg Mansfeld als Bildhauer mitgewirkt zu haben. Zu den fraglichen Arbeiten zählen hier ein Tympanonrelief des Weingottes Bacchus, dessen Bilderfindung auf den italienischen Maler Andrea Mantegna zurückgeführt werden konnte sowie der heute stark verwitterte Erker an der Nordwestecke des „Goldenen Saals“ des Schlosses Mittelort (vgl. Roch 1963, S. 772).
Die einzige bekannte Bildhauerarbeit der fraglichen Gruppe, die mit den Initialen H. S. signiert wurde, ist das kleine, inschriftlich 1540 datierte Epitaph für den Stadtvogt Berhardinus Blanckenberg (gest. 1531) und seine vielköpfige Familie an der Außenwand der Andreaskirche in Eisleben. Im selben Zeitraum entstanden das Epitaph für den Eisleber Bürgermeister Hans Stal (gest. 1541) auf dem Kronenfriedhof in Eisleben und die als Hauptwerk Schlegels geltende Tumba des Grafen Hoyer VI. von Mansfeld-Vorderort, eines der originellsten und bekanntesten Grabdenkmäler der deutschen Frührenaissance mit einer figürlichen Messinggrabplatte aus der renommierten Vischer-Werkstatt in Nürnberg (vgl. Roch 1963, S. 775 f). Das um 1537–38 ebenfalls in der Vischer-Werkstatt gegossene bronzene Wandepitaph für Bischof Sigismund von Lindenau im Dom von Merseburg wird von zwei ornamentierten Steinsäulen flankiert, auf denen jeweils Putti mit Leidenswerkzeuge Christi stehen, möglicherweise wiederum Arbeiten Schlegels, der auch an anderen Bildhauerarbeiten im Stil der Frührenaissance im Dom von Merseburg beteiligt gewesen könnte (vgl. Hildebrand 1914, S. 109 f und Hauschke 2006, S. 371). Vermutet wurde auch seine Mitarbeit am Ausbau der Burg Arnstein unter Graf Hoyer von Mansfeld in den 1530er Jahren. Hier hat sich an der Nordwestecke des Palas der Burgruine eine Wappentafel mit einem stark verwitterten Rahmen in Formen der deutschen Frührenaissance erhalten (Roch 1963, S. 773).
Die mit dem Namen Hans Schlegel verknüpfte Künstlerpersönlichkeit ist ein charakteristischer und wichtiger Vertreter der deutschen Frührenaissance. Die Tätigkeit seiner Werkstatt fällt in die Jahre, in denen der Erzbischof von Mainz und Magdeburg Kardinal Albrecht von Brandenburg (1490–1540) Halle durch Bauwerke und künstlerische Ausstattungsprogramme zu einer herausragenden geistlichen Pilgerdestination und Residenz auszugestalten suchte. Dadurch boten sich den hier ansässigen Steinmetzen umfangreiche Arbeitsmöglichkeiten und künstlerische Anregungen. Vermittelt über zumeist süddeutsche Druckgrafiken wurden im Umkreis des erzbischöflichen Hofes erstmalig in der Region in Kunsthandwerk, Malerei, Architektur und Skulptur Schmuckformen der italiensichen Renaissance verarbeitet. Die für diese Übergangsphase typische Verwandlung der spätgotischen Formenwelt durch die Einbeziehung antiker Ornamentformen und Bildthemen spiegelt sich in dem kleinen Oeuvre Schlegels wider. Die kunsthistorische Bedeutung seiner Bildhauerarbeiten für die Grafen von Mansfeld besteht in ihrer Orginalität und in dem großen Seltenheitswert plastischer Werke dieses kurzlebigen Sonderstils.
Werke
EISLEBEN
- St. Andreas:
Grabdenkmal für Graf Hoyer VI. Von Mansfeld-Vorderort (gest. 1540)
BURGRUINE ARNSTEIN
- Pallas, Nordwestecke
Rahmen einer älteren Wappentafel, um 1530–40 (stark hypothetische Zuschreibung)
EISLEBEN
- St. Andreas:
Grabdenkmal für Graf Hoyer VI. von Mansfeld-Vorderort (1484–1540), datiert 1541
Epitaph für den Stadtvogt Bernhardinus Blanckenberg (gest. 1531), signiert H. S. und datiert 1540 - Kronenfriedhof:
Epitaph für den Bürgermeister Hans Stal (gest. 1541) (Zuschreibung)
MANSFELD
- Schloss Vorderort:
zwei Tympanon-Reliefs mit Bacchus- und Landsknechtdarstellungen, um 1525 (Zuschreibung) - Schlosskirche:
Epitaph für Graf Günther IV. (III.) von Mansfeld-Vorderort (1476–1526) und seine Frau Agnes, geb. von Gleichen (gest. 1536) (Zuschreibung) - Schlossruine Mittelort:
Erker des „Goldenen Saals“ mit z.T. figürlicher Plastik, 1532 (Zuschreibung)
MERSEBURG
- Dom:
Epitaph für Bischof Sigismund von Lindenau (gest. 1544) (unsichere Zuschreibung der Steinarbeiten an Hans Schlegel)
Bibliographie
Dehio Sachsen-Anhalt II 2002 | Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt II, Regierungsbezirk Halle, bearb. von Ute Bednarz, Folkhard Cremer u. a., München 1999, S. 453, S. 474, S. 518–520.
Hauschke 2006 | Sven Hauschke: Monumente der „alten Kirche“. Grabdenkmäler von Peter Vischer dem Älteren und Hans Vischer in Halle, Merseburg und Eisleben, in: Andreas Tacke (Hg.): Der Kardinal Albrecht von Brandenburg, Renaissancefürst und Mäzen, Katalog der Ausstellung vom 9. September bis 26. November 2006 in Halle/Saale, Bd. 2 Essays, Regensburg 2006, S. 365–377.
Hildebrand 1914 | Arnold Hildebrand: Sächsische Renaissanceportale und die Bedeutung der hallischen Renaissance für Sachsen (=Studien zur thüringisch-sächsischen Kunstgeschichte 2), Halle 1914, S. 58 f, S. 108–111, 117–119, 138, 149, 159, 193, 237–239 u. 255.
Hünicken 1936 | Rolf Hünicken: Halle in der mitteldeutschen Plastik und Architektur der Spätgotik und Frührenaissance 1450–1550 (=Studien zur thüringisch-sächsischen Kunstgeschichte 4), Halle 1936, S. 21, S. 33 u. S. 40–51.
Meys 2009 | Oliver Meys: Memoria und Bekenntnis. Die Grabdenkmäler evangelischer Landesherren im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation im Zeitalter der Konfessionalisierung, Regensburg 2009, S. 865.
Roch 1963 | Irene Roch, Zur Renaissanceplastik in Schloss Mansfeld und Eisleben, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Halle. Gesellschafts- und Sprachwissenschaftliche Reihe 12 (1963), S. 765–783.
Roch 1967 | Irene Roch: Die Baugeschichte der Mansfelder Schlösser mit ihren Befestigungsanlagen und die Stellung der Schlossbauten in der mitteldeutschen Renaissance, in: Burgen und Schlösser. Zeitschrift für Burgenforschung und Denkmalpflege, Bd. 8 (1967), Nr. 2, S. 45–50, hier S. 48, Abb. 10–12.
Roch 1995 | Irene Roch: Die Schloßkapelle zu Mansfeld und ihre Ausstattung, in: Burg- und Schlosskapellen, Kolloquium des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Burgenvereinigung, hrsg. von Barbara Schock-Werner, Stuttgart 1995, S. 127–132, hier S. 129.
Roch-Lemmer 1996 | Irene Roch-Lemmer: Andreaskirche. Lutherstadt Eisleben (Schnell-Kunstführer, 2050), Regensburg 1996, S. 18
(Text: Sebastian Schulze, 2021)
Text: Sebastian Schulze, 2021)
- Epitaph für Graf Günther IV. von Mansfeld Vorderort (gest. 1526) in der Schlosskirche von Mansfeld
- Tympanon-Relief eines Portals am Schloss Mansfeld mit Landsknechtdarstellung, um 1525
- Tumba des Grafen Hoyer VI. von Mansfeld-Vorderort in der Kirche St. Andreas in Eisleben, datiert 1541
- Detail der Tumba des Grafen Hoyer mit Leuchterengel
- Detail der Tumba des Grafen Hoyer mit Heiligen
- Erker des ehem. Goldenen Saals an der Schlossruine Mansfeld-Mittelort
- Epitaph des Bürgermeisters Hans Stal (gest. 1541) auf de
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