Skulptur in MitteldeutschlandSpätgotik bis Frühbarock
Steinmetz und Baumeister, geb. um 1515, gest. 1592 in Halle/Saale
Biogramm
Nickel Hoffmann, auch als „Hoffman“ oder seltener als „Hofeman“ oder „Hofemahn“ bezeichnet, gilt heute als Hauptvertreter der sogenannten „bürgerlichen Hochrenaissance“ in Mitteldeutschland. Seine Bauten waren bestimmend für das Hallesche Stadtbild der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und Ausdruck eines neuen bürgerlichen Selbstverständnisses (Harkens 1961, S. 1094; Broda 1998, S. 300).
Neben Halle lässt er sich außerdem in einem weiten Gebiet zwischen dem anhaltinischen Bernburg, Südsachsen und bis Niederbayern nachweisen. Als Steinmetz schuf er vor allem Bauschmuck, wobei eine direkte Zuordnung teilweise schwer ist.
Herkunft und Geburtsjahr Nickel Hoffmanns sind nicht bekannt. Als Geburtsorte wurden bisher Saalfeld, Halle (Broda S. 284, Anm. 966; Seng 2003, S. 144) und Pirna (Hofestädt 2006, S. 3) in Erwägung gezogen, ohne einen eindeutigen Beleg anführen zu können. Das ungefähre Geburtsjahr wurde, ausgehend von einer Quelle, die um 1539 Nickel Hoffmann als Meister bezeichnet und unter der Prämisse, dass die Ausbildung etwa neun Jahre gedauert haben wird, auf um 1515 geschätzt (Broda 1998, S. 285).
Wohl schon unter Konrad Krebs (1492–1540) arbeitete er in den 1530er Jahren an dem Schloss Hartenfels in Torgau mit. Hier wurde sein Steinmetzzeichen an dem reich ornamentierten Großen Wendelstein sowie einem Verbindungsserker gefunden (Findeisen/Magirius 1970, S. 215). Das erste Mal sicher schriftlich erwähnt wird er in den Torgauer Schlossbaurechnungen 1543 im Zusammenhang mit einer Lieferung, die belegt, dass Hoffmann zu diesem Zeitpunkt eine eigene Steinmetzwerkstatt betrieb. Er konnte hohe Preise für seine Arbeit verlangen, orderte auch Baumaterial auf eigene Rechnung und streckte dem Bauherren zeitweilig Geld vor, was zeigt, dass er etabliert und finanziell unabhängig war (Broda 1998, S. 120 u. 129).
Bereits in den 1530er Jahren arbeitete er wohl bei der Fertigstellung der Marienkirche in Pirna mit. So findet sich sein Steinmetzzeichen hier im 1539 fertiggestellten Nordchor. 1540 wurde er dort spätestens Bürger. Auch war er vermutlich für Kurfürst Joachim II. in Berlin tätig, wobei seine genaue Rolle beim Bau des Berliner Schlosses ungeklärt ist. Vermutlich lieferte er Planungen der Innenausstattung oder ein Modell des fertigen Schlosses (Partsch; Broda 1998, S. 269 f; Kieling 1987, S. 151; Hildebrand 1914, S. 252).
Spätestens 1545 übernahm er die Leitung der Fertigstellung der Marktkirche in Halle (Partsch; Broda 1998, S. 136). Als Parlier stand ihm Jacob Hans und später Thomas Rinckler zur Seite. 1545 wurde er zum Ratswerkmeister der Stadt Halle ernannt und in dieser Funktion oblag ihm in der Folge die Leitung über bedeutende Projekte, wie über die Neuanlage des Stadtgottesackers oder die Umgestaltung des, im zweiten Weltkrieg zerstörten Rathauses am Markt in Halle. 1548 wirkte er an der städtischen Wasserkunst mit und erhielt 1550 schließlich das Bürgerrecht der Stadt Halle. Als Bürge fungierte das, für Kirchenbau zuständige Ratsmitglied Valten Drewes (Jäger S. 35 f u. 124).
Es folgten die Rathausbauten in Merseburg (1560/1561), Hof (1563/1564) und Schweinfurt (1569–71). 1570 war er beratend am Rathausbau in Rothenburg a. d. Tauber beteiligt. Im selben Jahr festigte er mit der Bauleitung des Nordflügels des Schlosses Bernburg seinen Ruf als Architekt. Auch beim Verkauf des Schlosses Seeburg war er später beratend tätig.
1568 wurde Hoffmann außerdem kurz unter Hieronymus Lotter bei dem Bau der kurfürstlichen Augustusburg beschäftigt, jedoch nach Querelen entlassen. Er wird in diesem Zusammenhang als „unzufriedener Geist voller Ränke und Tücken“ beschrieben (Harkens 1961, S. 1095). Diese negative Beurteilung seines Charakters könnte jedoch auf Konflikte infolge seiner berechtigten Lohnforderungen zurückzuführen sein.
Nickel Hoffmann war mindestens zweimal verheiratet. Mit Agatha († 1585) hatte er mindestens drei Söhne: Nickel d. J., der 1570 erwähnt wird, Samuel († 1587), der auch auf der Baustelle des Schweinfurter Rathauses nachweisbar ist, und Johann. Hinzu kommen zwei Töchter und ein weiterer jung verstorbener Sohn († 1556). 1586 heiratet Hoffmann Anna, die sich bis 1601 nachweisen lässt und mit der er einen Sohn namens Michael hatte (1586–1589). Außerdem lässt sich ein Bruder namens Philipp († 1596) in Zwickau und Halle nachweisen, der auch als Steinmetz tätig war. Genauer Sterbetag und ‑ort Nickel Hoffmanns sind unbekannt. Am 7. Mai 1592 werden für ihn die Totenglocken der Hallenser Marktkirche geläutet.
Hoffmann besaß Anteile am Mansfelder Kupferschieferbergbau und zwei Häuser bei St. Moritz in Halle, hatte jedoch anscheinend öfter Geldnöte, verursacht durch Schulden, auch von seinem Sohn Nickel d. J., der wohl an der väterlichen Werkstatt beteiligt war (Hofestädt 2006, S. 4f.).
Von den zahlreichen Bauten Nickel Hoffmanns sind heute viele verloren oder nur noch fragmentarisch erhalten. Vor allem die profanen Gebäude haben sich nur in Einzelfällen erhalten.
Der reiche Bauschmuck, wie etwa an den Emporen der Marktkirche, den Bögen des Stadtgottesackers und den Portalen weist ein neues Ornamentrepertoire auf. Das teppichartige Muster aus vegetabilen Rankenwerk und Grotesken ist, wie auch das architektonische Formenrepertoire, der zeitgenössischen Graphik entlehnt und löst die „fürstliche Frührenaissance“ in Halle ab (Broda 1998, S. 300). Nachweislich figürliche Arbeiten Hoffmanns sind selten und häufig auf Reliefarbeiten beschränkt. Sein Parlier Rinckler fertigte jedoch figürliche Werke.
Da er teilweise mehrere Projekte gleichzeitig leitete, war er viel auf Reisen und nicht immer direkt in das Baugeschehen eingebunden. Auch beschäftigte er immer mehrere Mitarbeiter, so dass sein Steinmetzzeichen nicht verbindlich als Beleg seiner eigenhändigen Arbeit interpretiert werden darf, sondern vielmehr als Auszeichnung seiner Leitung bzw. Signet. An den Hoffmann zugeschriebenen Werken ist wohl oft eine Vielzahl von Steinmetzen beteiligt gewesen. Dieser sogenannte „Hoffmann-Kreis“ ist jedoch nicht als Schulverband zu verstehen (Broda 1998, S. 300). Die förmliche Ausbildung von bestimmten Personen durch Nickel Hoffmann so ist nicht direkt zu belegen.
Werke
TORGAU
- Schloss Hartenfels:
Bauschmuck am großen Wendelsteins, ca. 1534–1536 (Bauarbeiten 1534 erwähnt), Zuordnung über Steinmetzzeichen - Bauschmuck am Zwischenerker, ca. 1534–1536
- architektonische Reliefrahmung über dem Portal der Schlosskapelle, 1544
- Wappenrahmung über dem Portal „Breite Straße 2“, 1545, Zuweisung über Steinmetzzeichen
PIRNA
- Stadtkirche St. Marien
- Gewände des Ostfensters im nördlichen Nebenchor und die nördlich davor vorspringenden Strebepfeiler, um 1539, Zuweisung über Steinmetzzeichen
BERLIN
- Visierung (Modell oder Pläne) “des Hauses zu berlin“, d. h. mutmaßlich des ehem. Berliner Schlosses, um 1543–1545, abgerechnet in Torgau (verschollen)
HALLE (SAALE)
- Fertigstellung der Marktkirche, spätestens ab 1545–1549, Erhöhung der Hausmannstürme, 1551
- Innenausstattung der Marktkirche (Wendeltreppe und Emporen), 1549–1554 (Bauinschriften)
- Wasserkunst (überlieferte Inschrift: N.H. — nicht erhalten)
- Moritzkirche, Gewölbe, 1554–1557
- Stadtgottesacker
Bogen 11, 12, 14, 15, 16, 18, 19, 1557- um 1560 (teilweise erhalten, mit Steinmetzzeichen)
Bogen 58, 1568 (unsichere Zuschreibung: Heydemann 1882, S. 178 meint sein Zeichen dort gesehen zu haben)
Wappentafel der Familie von Selmenitz, 1557
Wappentafel des Valten Drewes, 1559 (Zuschreibung) - Haus Große Märkestr. 10, um 1558 (Zuschreibung)
- Haus Brüderstr. 6, Portal, Mitte 16. Jh./ nach 1536
- Talamt, Erweiterung, 1558 (nicht erhalten)
- Umbau Rathaus, 1558–1568 – Loggia und Turm (nicht erhalten)
- 1573–1581 (Portal erhalten), Zuschreibung unsicher
- Keller des Zeug- und Kornhaus, um 1558, (unsichere Überlieferung, nicht erhalten)
- Neumühle, um 1582 (Nennung der Initialen „N. H.“ nach Olearius, – vgl. Jäger 2012, S. 191)
MERSEBURG
- Merseburg, Rathaus, 1560/1561
HOF
- Hof, Rathaus, 1563/64
ZWICKAU
- Zwickau, Marienkirche, Gewölbe, 1563–65
BERNBURG
- Schloss, Langhaus, 1567–1570
SCHWEINFURT
- Rathaus, 1769–1571
Bibliographie
Bornschein 2016 | Falko Bornschein: Der Holzbildhauer Johann Andreas Gröber. Ein mitteldeutscher Meister der Barockzeit, Heilbad Heiligenstadt 2016.
Broda 1998 | Werner Broda: Spurensuche Nickel Hoffmann. Ein Baumeister der „Deutschen Renaissance“ (1515–1592), Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde, Marburg 1998, S. 119–300, Bes. S. 294–300.
Findeisen/Magirius 1976 | Peter Findeisen/ Heinrich Magirius et al.: Die Denkmale der Stadt Torgau, Leipzig 1976, S. 117, S. 215.
Harkens 1961 | Sibylle Harksen: Hallesche Bürgerhäuser, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 10.1961, H. 4, Halle 1961, S. 1094.
Heydemann 1882 | H. Heydemann: Aus dem Pavillon für Kunstgewerbliche Altertümer aus der Ausstellung zu Halle, in: Zeitschrift für bildende Kunst, Bd. 17, 1882, S. 177 f.
Hildebrand 1914 | Arnold Hildebrand: Sächsische Renaissanceportale und die Bedeutung der hallischen Renaissance für Sachsen. in: Studien zur thüringisch-sächsischen Kunstgeschichte 2 (1914), S. 249–252.
Hofestädt 2006 | Bernd Hofestädt: Hallische Mosaiksteine zum Lebensbild Nickel Hoffmanns (um 1515–1592). Neues zu den wirtschaftlichen und familiären Verhältnissen des großen Baumeisters, in: Hallische Familienforscher Ekkehard (Hrsg.): Familien- und regionalgeschichtliche Forschungen 13/1, 2006, 2–8.
Hünicken 1936 | Rolf Hünicken: Halle in der mitteldeutschen Plastik und Architektur der Spätgotik und Frührenaissance 1450–1550, Studien zur thüringisch-sächsischen Kunstgeschichte H. 4, Halle 1936, S. 41, S. 91.
Jäger 2012 | Franz Jäger: Die Inschriften der Stadt Halle, gesammelt und bearb. von Franz Jäger (=Die deutschen Inschriften, Leipziger Reihe Bd. 4), Wiesbaden 2012, S. 25, S. 120–124, S. 137f., S. 191, S. 224, S. 264, S. 425–428, S. 430f., S. 471.
KD Stadt Halle und Saalkreis 1886 | Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Sachsen, Heft 1, Stadt Halle und Saalkreis, bearb. von Gustav Schönermark, Halle 1886, S: 48, S. 394, S. 402f.
Kieling 1987 | Uwe Kieling: Berlin. Baumeister und Bauten: Von der Gotik bis zum Historismus, Berlin 1987, S. 151.
Mrusek 1972 | Hans‑J. Mrusek,: Hoffmann, Nickel. in: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 9, Duncker & Humblot, Berlin 1972, S. 435.
Partsch | Susanna Partsch: Nickel Hoffmann, in: Beyer, Andreas / Savoy, Bénédicte / Tegethoff, Wolf (Hrsg.), Allgemeines Künstlerlexikon — Internationale Künstlerdatenbank – online (De Gruyter) 2011–2021
Rühl 2008 | Andreas Rühl: Zur Bau- und Nutzungsgeschichte des Rathauses vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert, in: Kuratorium Altes Rathaus Halle (Saale) e. V. (Hrsg.): Das alter Rathaus zu Halle (Saale) (Halle 2008), S. 21–113.
Ruhmer 1950 | Eberhard Ruhmer: Zacharias Bogenkrantz. Ein Bildhauer der mitteldeutschen Spätrenaissance, in: Zeitschrift für Kunst 4. Jg. 1950, H. 2, Leipzig 1950, S. 112–126.
Seng 2003 | Eva-Maria Seng: Stadt – Idee und Planung: Neue Ansätze im Städtebau des 16. Und 17. Jahrhunderts, München 2003, S. 144, S. 244.
Thieme/ Becker 1924 | Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker, hg. von Hans Vollmer, 17, 1924, S. 278.
Autor: Arne Julius Hermann (2021)
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