Skulptur in Mitteldeutschland

Spätgotik bis Frühbarock

Bild­hauer, geb. um 1540/45, gest. ver­mut­lich ca. 1600, ansäs­sig in Sins­le­ben (Sachsen-Anhalt)
 
Biogramm
Der am Nord­rand des Harzes in dem Dorf Sins­le­ben bei Erms­le­ben ansäs­sige Meister Zacha­rias Bogen­krantz zählt zu den wich­ti­gen mit­tel­deut­schen Bild­hau­ern des späten 16. Jahr­hun­derts. Seine bislang nach­weis­ba­ren Werke ver­tei­len sich über ein weites Gebiet zwi­schen dem Süden Sachsen-Anhalts und Mit­tel­bran­den­burg.
Bogen­krantz war höchst­wahr­schein­lich ein Meis­ter­schü­ler des Ber­li­ner Hof­bild­hau­ers Hans Schenk, genannt Scheuß­lich (gest. 1571/72), dessen Werk­statt unter anderem bis 1558 das große Epitaph für den Mag­de­bur­ger Erz­bi­schof und Bischof von Hal­ber­stadt Fried­rich von Bran­den­burg (gest. 1552) im Hal­ber­städ­ter Dom aus­führte. Laut einer alten Chronik wurde das Grab­denk­mal für Hans Scheuß­lich, ehemals in der Ber­li­ner Niko­lai­kir­che, von einem Schüler des Meis­ters namens Zacha­rias aus­ge­führt. Auch weisen die Werke des Zacha­rias Bogen­krantz deut­li­che moti­vi­sche und sti­lis­ti­sche Par­al­le­len zu den Arbei­ten des Ber­li­ner Bild­hau­ers auf.
Spä­tes­tens seit den frühen 1570er Jahren war Bogen­krantz in Sins­le­ben ansäs­sig, wo er 1573, 1587, 1591 und 1593 Geld aus der Kir­chen­kasse lieh. 1575 ver­klagte er im nahen Aschers­le­ben den Rats­herrn und Han­dels­mann Marcus Müller d. Ä. Das Vor­kom­men des Namens Bogen­krantz in Aschers­le­ben lässt vor­sich­tig ver­mu­ten, dass auch der Bild­hauer aus dieser Stadt oder ihrem Umland stammte. 1589 nennen ihn die Visi­ta­ti­ons­pro­to­kolle der Kirche von Sins­le­ben, einen “bösen Schalk”, der seit drei Jahren nicht am Abend­mahl teil­ge­nom­men hat und deshalb streng ermahnt wird. 1590 kaufte er hier ein Haus, welches sich 1602 nicht mehr in seinem Besitz befand. Seine Nie­der­las­sung in dem Dorf Sins­le­ben unter der Juris­dik­tion der Herren von Hoym, die auf der nahen Kon­rad­sburg ansäs­sig waren, weist darauf hin, dass er durch diese regio­nal bedeu­tende Adels­fa­mi­lie in beson­de­rem Maße geför­dert wurde. In ihrem Auftrag ent­stan­den die beiden ersten nach­weis­ba­ren Grab­denk­mä­ler des Bild­hau­ers in der Kirche von Erms­le­ben, dar­un­ter das große, 1571 datierte und durch eine drei­eckig vor­sprin­gende Sockel­zone in seiner archi­tek­to­ni­schen Gestalt beson­ders ori­gi­nelle Wan­d­e­pi­taph, ver­mut­lich für Hein­rich und Katha­rina von Hoym. Ver­wandt­schaft­li­chen Bezie­hun­gen derer von Hoym und anderer Adels­fa­mi­lien der Region ver­dankte er Auf­träge für Adels­grab­denk­mä­ler auch in grö­ße­rer Ent­fer­nung von seinem Wohnort, so in Amp­furth, im alt­mär­ki­schen Oebis­felde, in der Gott­hart­kir­che in Bran­den­burg an der Havel und im Dom von Mer­se­burg, für den seine Werk­statt um 1585 das monu­men­tale Wan­d­e­pi­taph für Hein­rich und Katha­rina von Bila (gest. 1584 und 1596) schuf. Dieses qua­li­tät­volle Werk dürfte ihm den Auftrag für den stei­ner­nen Kan­zel­korb der Moritz­kir­che im nahen Halle ein­ge­bracht haben, ein Haupt­werk des Meis­ters von hoher künst­le­ri­scher Qua­li­tät. Laut dem hal­le­schen Chro­nis­ten Johann Chris­toph von Drey­haupt (1749, 1. Teil, S. 1084) erhielt Bogen­krantz für die 1592 ein­ge­weihte Kanzel 500 Reichs­ta­ler, Aus­ga­ben für Gold, Blei, Eisen und Rei­se­kos­ten nicht inbe­grif­fen.
Größe und Aufwand dieser Denk­mä­ler setzen einen umfang­rei­chen Werk­statt­be­trieb oder die Zusam­men­ar­beit mit anderen Meis­tern voraus. Dies gilt ins­be­son­dere für den ver­mut­lich letzten großen Auftrag, das riesige Wan­d­e­pi­taph für Thilo von Trotha in der Kirche von Heck­lin­gen, welches im archi­tek­to­ni­schen Gesamt­ent­wurf und einigen Details der Haupt­re­li­efs seine Hand­schrift erken­nen lässt. Mit hoher Wahr­schein­lich­keit als Arbei­ten aus der Werk­statt in Sins­le­ben können die qua­li­tät­vol­len Figu­ren­grab­steine von Bülow in Oebis­felde und für Hein­rich von Bila (gest. 1584) in Mer­se­burg gelten, weil sie jeweils zu Epi­ta­phien des Meis­ters gehören. Die beiden figür­li­chen Grab­steine der im selben Jahr 1572 ver­stor­be­nen Ehe­leute Chris­toph und Mar­ga­re­tha von Hagen in der Bene­dik­ti­kir­che in Qued­lin­burg schlie­ßen sich diesen Denk­mä­lern sti­lis­tisch an. Weitere Figu­ren­grab­steine unter anderem in Sang­erhau­sen, Scherm­cke, Krosigk, Morl, Hoym, Grö­nin­gen und Erms­le­ben können auf Grund­lage des gege­be­nen For­schung­s­tan­des nur ver­suchs­weise mit der Werk­statt in Sins­le­ben in Ver­bin­dung gebracht werden (Vgl. Schulze 2014).
Der male­ri­sche, stark bewegte Reli­ef­stil der Epi­ta­phien in Erms­le­ben, Köthen, Seeburg, Bran­den­burg a. d. Havel, Hal­ber­stadt und Mer­se­burg weicht bei der Kanzel in Halle und dem Epitaph in Heck­lin­gen einem plas­ti­sche­ren, fes­te­ren Duktus. Wie all­ge­mein üblich vari­ierte der Bild­hauer dabei Kom­po­si­tio­nen druck­gra­phi­scher Vor­la­gen. Die voll­plas­ti­schen Figuren des Meis­ters ten­die­ren zu einer sta­ti­schen, säu­len­haf­ten Haltung. Aus­drucks­starke Gro­tes­ken­mas­ken und sorg­fäl­tig aus­ge­ar­bei­tete Orna­mente im Stil der soge­nann­ten Floris-Renaissance schmü­cken das kräf­tige archi­tek­to­ni­sche Grund­ge­rüst seiner Epi­ta­phien. E. Ruhmer (1950, S. 124) hielt die Plas­ti­ken der Kanzel in der Hal­le­schen Moritz­kir­che für „die bedeu­tends­ten der Spät­re­nais­sance im engeren mit­tel­deut­schen Raum“, von einer Qua­li­tät, die „fast euro­päi­sches Niveau erreicht“. Die Wirkung meh­re­rer Werke des Meis­ters stei­ger­ten ursprüng­lich zusätz­lich Farb­fas­sun­gen und Ver­gol­dun­gen, die zumeist später über­stri­chen wurden.
Werke

AMPFURTH
• Kirche:
Epitaph für Anna von Alvens­le­ben (gest. 1571) (Zuschrei­bung)

BRANDENBURG (Havel)
• Gott­hardt­kir­che:
Epitaph des Georg Hahn, wohl ca. 1575/80 (signiert „ZB“)

ERMSLEBEN
• Kirche St. Sixtus:
Epitaph ver­mut­lich für Hein­rich und Katha­rina von Hoym, datiert 1571 (Zuschrei­bung)
Epitaph für Ludolf von Hoym (gest. 1564) (Zuschrei­bung)
Grab­stein eines Ritters von Quitzow (gest. 1602) (Werk­statt? unsi­chere Zuschreibung)

HALBERSTADT
• Kirche St. Martini:
Epitaph für Joachim und Lucia Blum (gest. 1581 u. 1573) (Zuschrei­bung)

HECKLINGEN
• ehem. Klos­ter­kir­che St. Georg und St. Pan­kra­tius:
Epitaph des Franz von Trotha und Familie, ver­mut­lich 1597/98 (Zuschrei­bung, mit umfas­sen­der Betei­li­gung anderer Bildhauer)

HALLE (SAALE)
• Moritz­kir­che:
Kanzel, 1592 (signiert ZB und chro­ni­ka­lisch gesi­chert, die höl­zerne Kan­zel­de­cke 1604 von Valen­tin Silbermann)

KÖTHEN
• Stadt­kir­che St. Jakob:
Köthen, Stadt­kir­che, Epitaph für Johann Witbrod und Frau, ver­mut­lich um 1570 (ehemals signiert „ZB“)

MERSEBURG
• Dom St. Johan­nes der Täufer und Lau­ren­tius:
Epitaph für Hein­rich und Katha­rina von Bila (gest. 1584 und 1596), um 1585 (Zuschrei­bung)
Grab­stein des Hein­rich von Bila (gest. 1584)

OEBISFELDE
• Katha­ri­nen­kir­che:
Epitaph Busso und Fredeke von Bülow (gest. 1571 und 1604) (Zuschrei­bung)
Grab­stein des Busso von Bülow (gest. 1571) (Zuschrei­bung)
Grab­stein des Lewin von Bülow (gest. 1570) (Zuschrei­bung)

QUEDLINBURG
• Kirche St. Bene­dikti:
Grab­stein des Chris­toph von Hagen (gest. 1572) (Zuschrei­bung)
Grab­stein der Mar­ga­re­tha von Hagen (gest. 1572) (Zuschrei­bung)

SEEBURG
• Kirche St. Nikolai:
Epitaph für Kuno Paris und Kuno Georg Paris Hahn (gest. 1578 und 1580) (Zuschrei­bung)

 

Bibliographie

Cante 2007 | Andreas Cante: Der Bild­hauer und Medail­leur Hans Schenck oder Scheuß­lich – Ein Künst­ler der Renais­sance in Zeiten der Refor­ma­tion, Univ. Diss. Berlin 2005, Hamburg/Berlin 2007, S. 326 Anm. 12, 376 f u. 580.

Drey­haupt 1749/1755 | Johann Chris­toph von Drey­haupt: Pagus Nelec­tici et Nudzici, oder Aus­führ­li­che diplomatisch-historische Beschrei­bung des zum ehe­ma­li­gen Primat und Ertz-Stifft nunmehr aber durch den west­phä­li­schen Frie­dens­Schluß secu­la­ri­sier­ten Her­zog­t­hum Mag­de­burg gehö­ri­gen Saal-Kreyses, Und aller dar­in­nen befind­li­chen Städte, Schlös­ser, Aemter, Rit­ter­gü­ter, ade­li­chen Fami­lien, Kirchen, Clöster, Pfarren und Dörffer, Ins­be­son­der­heit der Städte Halle, Neum­arckt, Glaucha, Wettin, Löbejün, Cönnern und Als­le­ben, Aus Aetis publi­cis und glaub­wür­di­gen Nach­rich­ten mit Fleiß zusam­men getra­gen, Mit vielen unge­druck­ten Docu­men­ten bestärcket, mit Kup­fer­sti­chen und Abris­sen gezie­ret, und mit nöthi­gen Regis­tern ver­se­hen von Johann Chris­toph von Drey­haupt, 1. und 2. Teil, Halle a. d. Saale 1749 und 1755, S. 1084.

Ruhmer 1958 | Eber­hard Ruhmer: Der Meister der hal­li­schen Dom-Skulpturen, in: Zeit­schrift für Kunst, Jg. 21 (1958), S. 209–229. (Aus­ge­hend von der Kanzel der Moritz­kir­che und seiner unzu­tref­fen­den Annahme Zacha­rias Bogen­krantz sei Mit­ar­bei­ter des hal­le­schen Stein­metz­ar­chi­tek­ten Nickel Hofmann gewesen, schreibt ihm Ruhmer mehrere Renais­sance­por­tale in Halle und am Rathaus in Mücheln zu, außer­dem plas­ti­schen Schmuck am hal­le­schen Stadt­got­tes­acker und unter Vor­be­halt das Epitaph von Pack in der Delitz­scher Stadt­kir­che. Diese Zuschrei­bun­gen schei­nen nicht hin­rei­chend begründbar.)

Schulze 2014 | Sebas­tian Schulze: Mit­tel­deut­sche Bild­hauer der Renais­sance und des Früh­ba­rock (=Bei­träge zur Denk­mal­kunde 9, hrsg. vom Lan­des­amt für Denk­mal­pflege und Archäo­lo­gie Sachsen-Anhalt, Lan­des­mu­seum für Vor­ge­schichte), Halle 2014., S. 50–98. (mit wei­ter­füh­ren­der Literatur)

(Text: Sebas­tian Schulze, 2020)

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