Skulptur in MitteldeutschlandSpätgotik bis Frühbarock
Biogramm
Bogenkrantz war höchstwahrscheinlich ein Meisterschüler des Berliner Hofbildhauers Hans Schenk, genannt Scheußlich (gest. 1571/72), dessen Werkstatt unter anderem bis 1558 das große Epitaph für den Magdeburger Erzbischof und Bischof von Halberstadt Friedrich von Brandenburg (gest. 1552) im Halberstädter Dom ausführte. Laut einer alten Chronik wurde das Grabdenkmal für Hans Scheußlich, ehemals in der Berliner Nikolaikirche, von einem Schüler des Meisters namens Zacharias ausgeführt. Auch weisen die Werke des Zacharias Bogenkrantz deutliche motivische und stilistische Parallelen zu den Arbeiten des Berliner Bildhauers auf.
Spätestens seit den frühen 1570er Jahren war Bogenkrantz in Sinsleben ansässig, wo er 1573, 1587, 1591 und 1593 Geld aus der Kirchenkasse lieh. 1575 verklagte er im nahen Aschersleben den Ratsherrn und Handelsmann Marcus Müller d. Ä. Das Vorkommen des Namens Bogenkrantz in Aschersleben lässt vorsichtig vermuten, dass auch der Bildhauer aus dieser Stadt oder ihrem Umland stammte. 1589 nennen ihn die Visitationsprotokolle der Kirche von Sinsleben, einen “bösen Schalk”, der seit drei Jahren nicht am Abendmahl teilgenommen hat und deshalb streng ermahnt wird. 1590 kaufte er hier ein Haus, welches sich 1602 nicht mehr in seinem Besitz befand. Seine Niederlassung in dem Dorf Sinsleben unter der Jurisdiktion der Herren von Hoym, die auf der nahen Konradsburg ansässig waren, weist darauf hin, dass er durch diese regional bedeutende Adelsfamilie in besonderem Maße gefördert wurde. In ihrem Auftrag entstanden die beiden ersten nachweisbaren Grabdenkmäler des Bildhauers in der Kirche von Ermsleben, darunter das große, 1571 datierte und durch eine dreieckig vorspringende Sockelzone in seiner architektonischen Gestalt besonders originelle Wandepitaph, vermutlich für Heinrich und Katharina von Hoym. Verwandtschaftlichen Beziehungen derer von Hoym und anderer Adelsfamilien der Region verdankte er Aufträge für Adelsgrabdenkmäler auch in größerer Entfernung von seinem Wohnort, so in Ampfurth, im altmärkischen Oebisfelde, in der Gotthartkirche in Brandenburg an der Havel und im Dom von Merseburg, für den seine Werkstatt um 1585 das monumentale Wandepitaph für Heinrich und Katharina von Bila (gest. 1584 und 1596) schuf. Dieses qualitätvolle Werk dürfte ihm den Auftrag für den steinernen Kanzelkorb der Moritzkirche im nahen Halle eingebracht haben, ein Hauptwerk des Meisters von hoher künstlerischer Qualität. Laut dem halleschen Chronisten Johann Christoph von Dreyhaupt (1749, 1. Teil, S. 1084) erhielt Bogenkrantz für die 1592 eingeweihte Kanzel 500 Reichstaler, Ausgaben für Gold, Blei, Eisen und Reisekosten nicht inbegriffen.
Größe und Aufwand dieser Denkmäler setzen einen umfangreichen Werkstattbetrieb oder die Zusammenarbeit mit anderen Meistern voraus. Dies gilt insbesondere für den vermutlich letzten großen Auftrag, das riesige Wandepitaph für Thilo von Trotha in der Kirche von Hecklingen, welches im architektonischen Gesamtentwurf und einigen Details der Hauptreliefs seine Handschrift erkennen lässt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit als Arbeiten aus der Werkstatt in Sinsleben können die qualitätvollen Figurengrabsteine von Bülow in Oebisfelde und für Heinrich von Bila (gest. 1584) in Merseburg gelten, weil sie jeweils zu Epitaphien des Meisters gehören. Die beiden figürlichen Grabsteine der im selben Jahr 1572 verstorbenen Eheleute Christoph und Margaretha von Hagen in der Benediktikirche in Quedlinburg schließen sich diesen Denkmälern stilistisch an. Weitere Figurengrabsteine unter anderem in Sangerhausen, Schermcke, Krosigk, Morl, Hoym, Gröningen und Ermsleben können auf Grundlage des gegebenen Forschungstandes nur versuchsweise mit der Werkstatt in Sinsleben in Verbindung gebracht werden (Vgl. Schulze 2014).
Der malerische, stark bewegte Reliefstil der Epitaphien in Ermsleben, Köthen, Seeburg, Brandenburg a. d. Havel, Halberstadt und Merseburg weicht bei der Kanzel in Halle und dem Epitaph in Hecklingen einem plastischeren, festeren Duktus. Wie allgemein üblich variierte der Bildhauer dabei Kompositionen druckgraphischer Vorlagen. Die vollplastischen Figuren des Meisters tendieren zu einer statischen, säulenhaften Haltung. Ausdrucksstarke Groteskenmasken und sorgfältig ausgearbeitete Ornamente im Stil der sogenannten Floris-Renaissance schmücken das kräftige architektonische Grundgerüst seiner Epitaphien. E. Ruhmer (1950, S. 124) hielt die Plastiken der Kanzel in der Halleschen Moritzkirche für „die bedeutendsten der Spätrenaissance im engeren mitteldeutschen Raum“, von einer Qualität, die „fast europäisches Niveau erreicht“. Die Wirkung mehrerer Werke des Meisters steigerten ursprünglich zusätzlich Farbfassungen und Vergoldungen, die zumeist später überstrichen wurden.
Werke
AMPFURTH
• Kirche:
Epitaph für Anna von Alvensleben (gest. 1571) (Zuschreibung)
BRANDENBURG (Havel)
• Gotthardtkirche:
Epitaph des Georg Hahn, wohl ca. 1575/80 (signiert „ZB“)
ERMSLEBEN
• Kirche St. Sixtus:
Epitaph vermutlich für Heinrich und Katharina von Hoym, datiert 1571 (Zuschreibung)
Epitaph für Ludolf von Hoym (gest. 1564) (Zuschreibung)
Grabstein eines Ritters von Quitzow (gest. 1602) (Werkstatt? unsichere Zuschreibung)
HALBERSTADT
• Kirche St. Martini:
Epitaph für Joachim und Lucia Blum (gest. 1581 u. 1573) (Zuschreibung)
HECKLINGEN
• ehem. Klosterkirche St. Georg und St. Pankratius:
Epitaph des Franz von Trotha und Familie, vermutlich 1597/98 (Zuschreibung, mit umfassender Beteiligung anderer Bildhauer)
HALLE (SAALE)
• Moritzkirche:
Kanzel, 1592 (signiert ZB und chronikalisch gesichert, die hölzerne Kanzeldecke 1604 von Valentin Silbermann)
KÖTHEN
• Stadtkirche St. Jakob:
Köthen, Stadtkirche, Epitaph für Johann Witbrod und Frau, vermutlich um 1570 (ehemals signiert „ZB“)
MERSEBURG
• Dom St. Johannes der Täufer und Laurentius:
Epitaph für Heinrich und Katharina von Bila (gest. 1584 und 1596), um 1585 (Zuschreibung)
Grabstein des Heinrich von Bila (gest. 1584)
OEBISFELDE
• Katharinenkirche:
Epitaph Busso und Fredeke von Bülow (gest. 1571 und 1604) (Zuschreibung)
Grabstein des Busso von Bülow (gest. 1571) (Zuschreibung)
Grabstein des Lewin von Bülow (gest. 1570) (Zuschreibung)
QUEDLINBURG
• Kirche St. Benedikti:
Grabstein des Christoph von Hagen (gest. 1572) (Zuschreibung)
Grabstein der Margaretha von Hagen (gest. 1572) (Zuschreibung)
SEEBURG
• Kirche St. Nikolai:
Epitaph für Kuno Paris und Kuno Georg Paris Hahn (gest. 1578 und 1580) (Zuschreibung)
Bibliographie
Cante 2007 | Andreas Cante: Der Bildhauer und Medailleur Hans Schenck oder Scheußlich – Ein Künstler der Renaissance in Zeiten der Reformation, Univ. Diss. Berlin 2005, Hamburg/Berlin 2007, S. 326 Anm. 12, 376 f u. 580.
Dreyhaupt 1749/1755 | Johann Christoph von Dreyhaupt: Pagus Nelectici et Nudzici, oder Ausführliche diplomatisch-historische Beschreibung des zum ehemaligen Primat und Ertz-Stifft nunmehr aber durch den westphälischen FriedensSchluß secularisierten Herzogthum Magdeburg gehörigen Saal-Kreyses, Und aller darinnen befindlichen Städte, Schlösser, Aemter, Rittergüter, adelichen Familien, Kirchen, Clöster, Pfarren und Dörffer, Insbesonderheit der Städte Halle, Neumarckt, Glaucha, Wettin, Löbejün, Cönnern und Alsleben, Aus Aetis publicis und glaubwürdigen Nachrichten mit Fleiß zusammen getragen, Mit vielen ungedruckten Documenten bestärcket, mit Kupferstichen und Abrissen gezieret, und mit nöthigen Registern versehen von Johann Christoph von Dreyhaupt, 1. und 2. Teil, Halle a. d. Saale 1749 und 1755, S. 1084.
Ruhmer 1958 | Eberhard Ruhmer: Der Meister der hallischen Dom-Skulpturen, in: Zeitschrift für Kunst, Jg. 21 (1958), S. 209–229. (Ausgehend von der Kanzel der Moritzkirche und seiner unzutreffenden Annahme Zacharias Bogenkrantz sei Mitarbeiter des halleschen Steinmetzarchitekten Nickel Hofmann gewesen, schreibt ihm Ruhmer mehrere Renaissanceportale in Halle und am Rathaus in Mücheln zu, außerdem plastischen Schmuck am halleschen Stadtgottesacker und unter Vorbehalt das Epitaph von Pack in der Delitzscher Stadtkirche. Diese Zuschreibungen scheinen nicht hinreichend begründbar.)
Schulze 2014 | Sebastian Schulze: Mitteldeutsche Bildhauer der Renaissance und des Frühbarock (=Beiträge zur Denkmalkunde 9, hrsg. vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Landesmuseum für Vorgeschichte), Halle 2014., S. 50–98. (mit weiterführender Literatur)
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