Skulptur in Mitteldeutschland

Spätgotik bis Frühbarock

Im zweiten Jahr­zehnt des 17. Jahr­hun­derts hielt der soge­nannte Knor­pel­werk­stil oder auch Ohr­mu­schel­stil Einzug in die Orna­men­tik und ver­än­derte zuneh­mend die Gesamt­erschei­nung der viel­tei­li­gen skulp­tu­ra­len Werke. Prägend war eine Vor­liebe für orga­ni­sche, knor­pe­lige, trop­fen­för­mige, weich­ver­schlif­fene und teig­ar­tig erweichte Formen, für soge­nann­tes Teig­werk, für Scho­ten­werk, Keu­len­schwünge, gequetschte oder her­aus­ge­schleu­derte Voluten und peit­schen­schlag­ar­tige Riemen. Dem inter­na­tio­na­len Stil des Manie­ris­mus ent­spre­chen die kom­pli­zier­ten, mit­un­ter ele­gan­ten Posen vieler Figuren. Als Motiv­vor­la­gen dienten häufig Druck­gra­phi­ken nach Bil­der­fin­dun­gen von Malern aus dem Umkreis des Kai­ser­ho­fes in Prag. Die Leit­kul­tur des Prager Hofs während der Regent­schaft des kunst­be­geis­ter­ten Kaisers Rudolf II. mit seiner raf­fi­nier­ten “rudol­fi­ni­schen” Hof­kunst regte eine starke För­de­rung der Künste durch Fürsten, Adelige und reiche Bürger an. Die Menge und Qua­li­tät der erhal­te­nen plas­ti­schen Kunst­werke erreich­ten nach 1610 einen Höhe­punkt, um dann mit dem Ein­bruch des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieges stark zurück­zu­ge­hen.
Der 1618 in Böhmen aus­ge­bro­chene Krieg erfasste Mitte der 1620er Jahre die Gebiete des heu­ti­gen Sachsen-Anhalts und Thü­rin­gens. 1625 wurde Halle von kai­ser­li­chen Truppen besetzt. Nachdem die säch­si­schen Kur­fürs­ten als Ver­bün­dete der habs­bur­gi­schen Kaiser 1620 die Lausitz annek­tiert hatten, konnten sie bis 1631 die Neu­tra­li­tät ihres Herr­schafts­ge­bie­tes wahren, dann erfasste der Krieg jedoch auch die kur­säch­si­schen Gebiete. Im selben Jahr endete die Bela­ge­rung Mag­de­burgs in der soge­nann­ten Mag­de­bur­ger Hoch­zeit mit der Ermor­dung tau­sen­der Ein­woh­ner und der fast voll­stän­di­gen Zer­stö­rung der bedeu­ten­den Stadt, mit Aus­nahme des Doms. Unzäh­lige Werke wurden in den vom Krieg betrof­fe­nen Gebie­ten beschä­digt oder ver­nich­tet. Etliche Bild­hauer gaben ihren Beruf auf, andere lebten in Armut. Die bild­haue­ri­sche Gesamt­pro­duk­tion sank in den 1630er und 1640er Jahren auf einen Tief­stand und stieg nach dem West­fä­li­schen Frie­dens­schluss von 1648 nur langsam wieder an. Diese schwere Krise begüns­tigte das lange Fort­le­ben eines pro­vin­zi­el­len, vom Knor­pel­werk gepräg­ten manie­ris­ti­schen Son­der­stils, der in Mit­tel­deutsch­land erst ab etwa 1670 umfas­sen­der in den inter­na­tio­nal vor­herr­schen­den Hoch­ba­rock überging.
Magdeburg

In Mag­de­burg eta­blierte sich der zunächst als Geselle Sebas­tian Ertles tätige Chris­toph Dehne bald nach 1610 als füh­ren­der Bild­hauer. Die ersten bekann­ten, über­wie­gend in Sand­stein und Ala­bas­ter aus­ge­führ­ten Werke des Meis­ters sind die ►Epi­ta­phien für Heimo von Brö­si­cke im bran­den­bur­gi­schen Ketzür (1612–14) und des ►Georg von Lochow (1614) im Nach­bar­ort Nenn­hau­sen (1614). Es folgen für den Dom von Mag­de­burg die ►Epi­ta­phien für Chris­tian von Hopkorf (um 1615) und für ►Ernst von Melt­zing (†1617), ver­mut­lich auch die ►Bron­ze­grab­denk­mä­ler für Ludwig und Cuno von Lochow (†1616 und †1623). Als Arbei­ten der Dehne-Werkstatt gelten unter anderen auch das ►Epitaph für Adam von Königs­marck (†1621) im Dom von Bran­den­burg an der Havel und das ►Epitaph des erzstiftisch-magdeburgischen Kanz­lers Kilian Stisser (1562–1620) im soge­nann­ten Dom von Halle. Diese opu­len­ten Werke bilden in ihrer ganz eigen­wil­li­gen und extre­men Gestal­tung den frühen Höhe­punkt des manie­ris­ti­schen Knor­pel­werk­stils in der Gattung der Plastik. Dabei ordnen sich die oft stark defor­mier­ten figür­li­chen Ein­zel­for­men dem als Groß­or­na­ment gestal­te­ten Werken unter. Die kurze, äußerst pro­duk­tive Tätig­keit der Dehne-Werkstatt endete offen­bar spä­tes­tens 1625 mit dem aus mili­tä­ri­schen Gründen durch­ge­führ­ten Abbruch der Mag­de­bur­ger Vor­stadt Suden­burg, in der die Werk­statt lag. Chris­toph Dehne über­lebte die Zer­stö­rung Mag­de­burgs 1631 und zog laut einer Nach­richt von 1640 damals, ver­mut­lich mit einem Söld­ner­heer, „dem Krieg nach“. Der neben und ver­mut­lich mit Dehne in Mag­de­burg tätige Bild­hauer Georg Kriebel (1583–1645) wich vor dem Krieg nach Hamburg aus und trat dann als Hof­bild­hauer in den Dienst des däni­schen Königs. Ein wei­te­rer mög­li­cher Mit­ar­bei­ter der Dehne-Werkstatt war der höchst­wahr­schein­lich in Mag­de­burg geschulte und dann in Bran­den­burg an der Havel ansäs­sig gewor­dene Bild­schnit­zer Georg Zim­mer­mann (†1631), dem sich unter anderem die dem Stil der Dehne-Werkstatt ver­wandte, mit zahl­rei­cher Schnitz­plas­tik ver­zierte ►Kanzel der dor­ti­gen St. Gott­har­di­kir­che (1624) verdankt.

Ein maß­geb­li­cher Mit­ar­bei­ter der füh­ren­den Mag­de­bur­ger Werk­statt Chris­toph Dehnes war sehr wahr­schein­lich auch der Mag­de­bur­ger Bild­hau­er­ge­selle Ludolf Bartels. Ein Vertrag des Werk­statt­lei­ters Jürgen Röttger in Braun­schweig mit Bart­hels zur Aus­füh­rung des ►Epi­taphs für Jürgen und Lucia von der Schu­len­burg (†1619 und †1620) in der Katha­ri­nen­kir­che in Braun­schweig macht deut­lich, in welchem umfas­sen­den Maß ältere Meister ihre Auf­träge an sonst zumeist anonym blei­bende Gesel­len abgeben konnten. Das heute vor der West­wand der Katha­ri­nen­kir­che auf­ge­baute Schulenburg-Epitaph zählt durch Größe und Qua­li­tät zu den bedeu­tends­ten Werken der Skulp­tur dieser Jahre in Deutsch­land. Röttger beschäf­tigte 1619 sechs Gesel­len. Nach dem Tod des Vaters führten Jürgen Röttger d. J. (†1626) und Hans Röttger (†1627) die Werk­statt noch einige Jahre fort. 1617 ent­stan­den in der Röttger-Werkstatt die präch­tige ►Kanzel, Tauf­de­cke und Orgel­brüs­tung der Braun­schwei­ger Mar­ti­ni­kir­che, um 1630 schnitz­ten für die­selbe Kirche Ulrich Behr, Johann Braun und Andreas Meveus das reich ver­zierte ►Orgel­pro­spekt. Um 1634 schmückte der Bild­schnit­zer Wilhelm Scho­ri­gus d. Ä. (†1661) das ►Orgel­pro­spekt der Braun­schwei­ger Andreaskirche.

Zentren in Niedersachsen und Harz

Für den ehr­gei­zi­gen Neubau der Haupt­kir­che Beatae Mariae Vir­gi­nis in Wol­fen­büt­tel 1608–1626 waren umfang­rei­che Bild­hau­er­ar­bei­ten in Stein und Holz aus­zu­füh­ren. Hans Röttger aus Braun­schweig lie­ferte ►Evangelisten- und Apos­tel­fi­gu­ren auf den Stre­be­pfei­lern. Wohl aus Hil­des­heim kamen die Brüder Fried­rich und Chris­toph Greiss in die wel­fi­sche Resi­denz­stadt, um für den Kir­chen­neu­bau 1619–1626 ►Schnit­ze­reien für Orgel­em­pore und ‑pro­spekt, Innen­por­tal, Män­ner­prie­che und den in Frei­berg in der Werk­statt von Bern­hard Dit­te­rich ent­stan­de­nen ►Haupt­al­tar anzu­fer­ti­gen. 1627 ging Fried­rich nach Bre­mer­vörde und wurde Soldat. Die ►Kanzel der Wol­fen­büt­te­ler Haupt­kir­che lie­ferte 1623 aus Qued­lin­burg der Bild­schnit­zer Georg Steyger. Bereits 1595 ent­stand in Stey­gers Werk­statt die ebenso präch­tige ►Kanzel der Bene­dik­ti­kir­che in Qued­lin­burg (1595) und nach 1596 jene in der Ste­pha­nikir­che in Helm­stedt. Für den Meister durch eine Signa­tur gesi­chert, ist das ►Epitaph des Jürgen von Maren­holtz im nie­der­säch­si­schen Hattorf (1608). Eine wohl ein­zig­ar­tige, mit Bild­schnit­ze­reien reich ver­zierte ►Aus­stat­tung bewahrt die Dorf­kir­che im alt­mär­ki­schen Oster­wohle, um 1620 geschaf­fen von einer unbe­kann­ten Werk­statt im Auftrag der Rit­ter­guts­be­sit­zer der Familie von der Schu­len­burg. Ebenso ein­drucks­volle Bild­schnit­zer­ar­bei­ten schuf im zweiten Drittel des 17. Jahr­hun­derts der Bild­hauer Andreas Gröber (†1662) aus Oster­ode im West­harz, dar­un­ter nach­weis­lich ►Altarr­e­ta­bel, Kanzeln und ein Orgel­pro­spekt in Celle, Claus­thal, Goslar, Kat­len­burg und seiner Hei­mat­stadt Oster­ode. Ver­schol­len sind die von Gröber geschaf­fe­nen Stand­bil­der für den fürst­li­chen Garten in Celle. Unter Leitung seines Sohn Johann Andreas Gröber (1643/44–1709) gingen aus dieser Werk­statt in der zweiten Hälfte des 17. Jahr­hun­derts eine Reihe baro­cker Monu­men­tal­al­täre hervor.

Zentren in Sachsen und Thüringen

In Leipzig ent­stan­den unter Leitung des Rats­stein­met­zen Fried­rich Fuß (†1618) 1614/15 die einst farbig gefass­ten ►Prunk­ka­mine des Alten Leip­zi­ger Rat­hau­ses, deren Orna­men­tik gut den Über­gang vom Beschlagwerk- zum Knor­pel­werk­stil ver­an­schau­li­chen. Die Tho­mas­kir­che bestellte damals im Zuge umfang­rei­cher Reno­vie­rungs­ar­bei­ten die aus Marmor, Ala­bas­ter und edlen Hölzern gefer­tigte manie­ris­ti­sche ►Taufe mit einer hohen, auf­wen­dig geschmück­ten, heute jedoch nur noch in Frag­men­ten erhal­te­nen Tauf­de­cke. Die Haupt­ar­bei­ten dieses Pro­jekts wurden bis 1615 in der Mag­de­bur­ger Werk­statt von Georg Kriebel aus­ge­führt. Bereits seit 1601 war in der Mes­se­stadt der junge Bild­hauer Franz Julius Döteber (1575–1648) ansäs­sig. Er arbei­tete hier sehr wahr­schein­lich zunächst etliche Jahre mit den eta­blier­ten Meis­tern Fried­rich Fuß und Valen­tin Sil­ber­mann zusam­men, bevor er Leiter einer über­re­gio­nal bedeu­ten­den Werk­statt wurde. Dieser Werk­statt ver­dan­ken sich unter anderem mehrere große, beson­ders qua­li­tät­volle Ala­bas­ter­e­pi­ta­phien in ►Treb­nitz (Könnern), ►Leipzig (für Daniel Leicher, †1612), ►Mer­se­burg (für von Jan von Kostitz, †1611), ►Dehlitz (für von Wolf­fers­dorff, †1610 und 1613), ►Sang­erhau­sen (für Caspar von Tryller, um 1618) und ►Halle (Museum Moritz­burg, Frag­mente des Epi­taphs Lau­ren­tius Hoff­mann, um circa 1620/25). Ab 1622 ent­stan­den im Auftrag des meck­len­bur­gi­schen Herzogs Adolf Fried­rich im Dom von Bad Doberan nahe der Ost­see­küste mit den monu­men­ta­len ►Grab­mals­an­la­gen für Samuel von Behr (†1621) mit lebens­gro­ßem Rei­ter­stand­bild sowie ►für Herzog Adolf Fried­rich und seine Gemah­lin Anna Maria (†1658 und 1634) zwei der spek­ta­ku­lärs­ten Kunst­werke aus der Epoche des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieges im deutsch­spra­chi­gen Raum. Die kriegs­be­ding­ten langen Unter­bre­chun­gen und viel­fäl­ti­gen Wid­rig­kei­ten ver­zö­ger­ten die Fer­tig­stel­lung dieser Monu­mente durch Döteber und seine Mit­ar­bei­ter bis min­des­tens 1637. Im vom Krieg eben­falls erheb­lich betrof­fe­nen Leipzig ent­stand damals das heute in Frag­men­ten erhal­tene, nun in Holz aus­ge­führte ►Epitaph des Rektors der Leip­zi­ger Uni­ver­si­tät Bar­tho­lo­mäus Gölnitz (†1635) in der Samm­lung der Leip­zi­ger Uni­ver­si­täts­kus­to­die mit einer ein­drucks­vol­len Relief-Darstellung der Auf­er­ste­hung der Toten nach dem Pro­phe­ten Eze­chiel. Chris­tian Julius Döteber (†1676/77), der Sohn von Franz Julius, grün­dete in der schwe­di­schen Haupt­stadt Stock­holm eine erfolg­rei­che Bild­hau­er­werk­statt und kehrte erst 1658/59 in seine Hei­mat­stadt zurück, wo er in den 1660er Jahren an der Reno­vie­rung und Ver­schö­ne­rung der Niko­lai­kir­che mitwirkte.

Auch das riesige ►Epitaph für Herzog Johann von Sachsen (†1605), seine Gemah­lin Doro­thea Maria (†1617) und deren zahl­rei­che Kinder in der Stadt­kir­che von Weimar ist mit Ein­schrän­kun­gen der Leip­zi­ger Bild­haue­rei zuzu­rech­nen: Der aus Bremen stam­mende Bild­hauer Hein­rich Hüne­feld (†1611), seit 1605 Bürger in Leipzig und bereits zuvor für die Herzöge von Sachsen in Alten­burg und Rein­hardts­brunn tätig, ver­starb kurz nach Ertei­lung dieses großen Auf­trags, der bis 1617 ins­be­son­dere von dem Bild­hau­er­ge­sel­len Levin Tydeche (†1625), von Franz Julius Döteber aus Leipzig und dem Wei­ma­rer Bild­hauer Matthes Dit­te­rich in ver­schie­den­far­bi­gem Marmor und Ala­bas­ter aus­ge­führt wurde. Durch Größe wie Qua­li­tät zählt dieses Denkmal zu den Haupt­wer­ken früh­ba­ro­cker Skulp­tur in Deutsch­land. Nach dem Entwurf des Dresd­ner Malers Joachim Schrey­vo­gel (†1633) voll­endete ins­be­son­dere Tydeche als eben­falls uner­le­digte Auf­träge seines Meis­ters den ehe­ma­li­gen ►Altar der Schloss­kir­che in Rein­hardts­brunn (Frag­mente heute in der Augus­ti­ner­kir­che in Gotha) sowie die ►Kanzel der­sel­ben Kirche, heute in der Tri­ni­ta­tis­kir­che in Gera. Der außer­ge­wöhn­lich talen­tierte Bild­hau­er­ge­selle starb 1625 in der nord­thü­rin­gi­schen Resi­denz­stadt Son­ders­hau­sen über einem Auftrag des Grafen Chris­tian Günther I. von Schwarzburg-Sondershausen (►Teile des Altars in Sondershausen-Jecha). Bereits um 1616 ließen die Grafen hier von den Bild­hau­ern Gerhard Schmidt und Bur­ck­hardt Röhl in ihrem Schloss als ►Raum­de­ko­ra­tion einen ein­zig­ar­ti­gen Bild­zy­klus mit alle­go­ri­schen, alche­mis­ti­schen und mytho­lo­gi­schen Motiven schmü­cken. Trotz des Krieges wurde Röhl die Aus­füh­rung von ►Kanzel (1625), Taufe (1639) und Altar (1642) der Ober­kir­che im schwarz­bur­gi­schen Arn­stadt über­tra­gen, ebenso umfang­rei­che wie ein­drucks­volle Werke der Bild­schnit­ze­rei im Knorpelwerkstil.

In den 1620er Jahren führte Hans (III.) Frie­de­mann (†1629) den hier vorher selten ange­wand­ten Knor­pel­werk­stil auch in Erfurt in die Plastik ein. Dieses Orna­ment schmückt das gemein­sam mit seinem Bruder Paul Frie­de­mann (†1632) geschaf­fe­nen ►Altarr­e­ta­bel der Erfur­ter Kauf­manns­kir­che, ein Haupt­werk manie­ris­ti­scher Bild­schnit­ze­rei, wie auch das statt­li­che, ursprüng­lich als Epitaph gestif­tete ►Altarr­e­ta­bel der Erfur­ter Michae­lis­kir­che (1632), dessen archi­tek­to­ni­sche Struk­tur baro­cken Kir­chen­fas­sa­den ähnelt. Hans (IV) Frie­de­mann (†1640) und Hein­rich Frie­de­mann (1601–1668), Söhne von Hans (III), waren nach­weis­lich an der präch­ti­gen ►Mose­s­kan­zel in der Andre­as­kir­che von Rudol­stadt (1636) betei­ligt. Hein­rich löste laut seiner gedruck­ten Lei­chen­pre­digt in den schwie­ri­gen Zeiten des 30jährigen Krieges die väter­li­che Werk­statt auf und war anschlie­ßend als Händler tätig.

In der kur­säch­si­schen Resi­denz­stadt Dresden war seit 1617 die Haupt­auf­gabe der Bild­hauer die Aus­schmü­ckung des 1747 durch eine Explo­sion voll­stän­dig zer­stör­ten kur­fürst­li­chen Bel­ve­dere auf der Jung­fern­bas­tei. Nach dem Tod Gio­vanni Maria Nos­se­nis 1620 über­nahm Sebas­tian Walther (1576–1645) als kur­fürst­li­cher „Archi­tec­tus und Sta­tua­rius“ die Bau­lei­tung. Rar gewor­dene Zeug­nisse seines Schaf­fens nach 1620 sind ►Frag­mente des Nosseni-Epitaphs im Dresd­ner Stadt­mu­seum (1616) und ein signier­tes ►Ala­bas­ter­re­lief der Ver­kün­di­gung an die Hirten im Dresd­ner Grünen Gewölbe von 1640. Dem kur­fürst­li­chen Hof­bild­hauer man­gelte es in den letzten Kriegs­jah­ren an Auf­trä­gen und er starb 1645 in Armut. Zu seinen wich­tigs­ten Mit­ar­bei­tern zählte ab etwa 1620 sein Schwie­ger­sohn Zacha­rias Hege­wald (1596–1639), Sohn des Chem­nit­zer Bild­hau­ers Michael. Diesem wurden qua­li­tät­volle Klein­plas­ti­ken in ver­schie­de­nen euro­päi­schen Samm­lun­gen zuge­schrie­ben. ►Frag­mente des unter Hege­wald um 1638 aus­ge­führ­ten Altars der Kirche von Kötz­schen­broda haben sich im Dresd­ner Stadt­mu­seum erhal­ten. Der seit 1625 eben­falls als Mit­ar­bei­ter Sebas­tian Walt­hers nach­weis­bare Hof­bild­hauer Wolff Ernst Brohn (†1664) lebte in den Kriegs­jah­ren von kleinen Auf­trä­gen in Armut und erhielt erst 1652 den bedeu­ten­de­ren Auftrag für das ►Epitaph der Her­zo­gin Sophie Hedwig, heute im Dom von Frei­berg, ursprüng­lich in der Dresd­ner Sophien­kir­che. Conrad Buchau († vor 1657), als Bürger seit 1632 in Dresden ansäs­sig, ist der Meister von ►zwei Jäger­fi­gu­ren für das ehe­ma­lige kur­fürst­li­che Jagd­schloss Gril­len­burg, heute im Museum für Säch­si­sche Volks­kunst in Dresden. Johann Georg Kretz­schmer (1612–1653) schuf 1648 das stei­nerne ►Altarr­e­ta­bel der Berg­kir­che in Dresden-Pillnitz sowie ►Kanzel und Altar in der Stadt­kir­che von Pretzsch bei Wit­ten­berg (1652). Wohl erst ab den 1660er Jahren nahm die Bild­haue­rei in der kur­säch­si­schen Resi­denz­stadt einen Auf­schwung: Der spät­ge­bo­rene Sohn Sebas­tian Walt­hers, Chris­toph Abraham Walther (†1680), kehrte 1664 aus Regens­burg, wo er eine große Bild­hau­er­werk­statt gelei­tet hatte, end­gül­tig in seine Hei­mat­stadt zurück. Zeugnis seines Schaf­fens sind hier die ►Schnitz­fi­gu­ren des Altar­auf­baus in der Kirche von Schönfeld-Weißig (1656). Eben­falls als Sohn einer ein­hei­mi­schen Bild­hau­er­fa­mi­lie folgte Mel­chior Barthel (1625–1672) nach lang­jäh­ri­ger Tätig­keit in Rom und Venedig, auf der Höhe der inter­na­tio­na­len baro­cken Skulp­tur stehend, 1670 einem Ruf als Hof­bild­hauer nach Dresden, starb aber hier kurz nach seiner Rück­kehr. Ihm zuge­schrie­ben werden unter anderem ►mehrere hoch­wer­tige Klein­plas­ti­ken aus Holz oder Elfen­bein im Grünen Gewölbe der Staat­li­chen Kunst­samm­lun­gen in Dresden.

Im nahen Pirna über­nahm nach dem Tod von David Schwenke 1620 Hans Schwenke (1589–1634) die Leitung der Werk­statt. Zu ihren Arbei­ten zählen unter anderem die beiden Epi­ta­phien für die Familie ►Johann Rosig (†1612) und ►Kilian Prom­nitz (†1632) in der Pirnaer Stadt­kir­che, wie ver­mut­lich auch der ►Engels­er­ker am Haus Bar­bier­gasse 10 in Pirna (1624).

Elb­ab­wärts von Dresden, in Meißen wurden neben dem hier bereits tätigen Hans Köhler d. J. (†1616) mehrere Bild­hauer aus Frei­berg ansäs­sig. Mel­chior Kuntze (†1623), laut W. Hent­schel (1934) einer der besten säch­si­schen Bild­hauer seiner Zeit, ist der Meister der ►Kanzel (1613–1615) und des ►Epi­taphs für Caspar Grebitz (†1610) in der Stadt­kir­che von Fins­ter­walde (nach 1612) sowie der ►Epi­taph­kan­zel in Nerchau-Cannewitz bei Grimma (1612). Das einzige signierte Werk von Elias Schmidt, Meißner Bürger seit 1627, ist das ►Epitaph des Alex­an­der von Miltitz (†1629) in der mit Renais­sance­skulp­tur beson­ders reich aus­ge­stat­te­ten Kirche in Scharfenberg-Naustadt. Auch nach dem 30jährigen Krieg wirkten mit den Bild­schnit­zern Valen­tin Otte, Johann Fried­rich Richter und Valen­tin Walther fähige Bild­hauer in Meißen.

Die große Tra­di­tion der Renaissance-Skulptur in Torgau führte Andreas Schultze bis in die zweite Hälfte des 17. Jahr­hun­dert fort. Er gilt als Meister des mut­maß­lich 1624 fer­tig­ge­stell­ten ►Altars der Kirche in Hof bei Oschatz. Bis 1660 schuf er im Knor­pel­werk­stil weitere umfang­rei­che kirch­li­che Aus­stat­tungs­stü­cke unter anderem im süd­bran­den­bur­gi­schen ►Luckau (1656) und ►Cottbus (1660).

In Frei­berg erbte Bern­hard Dit­te­rich († nach 1640) die Werk­statt des Vaters Franz Dit­te­rich d. Ä. Meis­ter­werke manie­ris­ti­scher Schnitz­kunst sind unter anderem der später ver­än­derte ►Altar der Berg­kir­che in Anna­berg (1616), der ►Altar der Jako­bi­kir­che in Frei­berg (1610), der ►Epi­ta­phaltar in der Kirche in Roth­schön­berg (1622) und der ►Haupt­al­tar der Kirche Beatae Mariae Vir­gi­nis im nie­der­säch­si­schen Wol­fen­büt­tel (1612/1623). Aus Anna­berg kommend ließ sich Marcus Röhling 1612 als Bürger in Frei­berg nieder und voll­endete im fol­gen­den Jahr den reichen ►Altar­auf­bau der Kirche von Königs­feld bei Roch­litz. Hans Fritz­sche (†1646 [?]) gilt unter anderem als Meister der 1638 gestif­te­ten ►Berg­manns­kan­zel im Dom von Frei­berg, so getauft nach der den Kan­zel­korb tra­gen­den Figur eines Bergmanns.

Ein beson­ders wich­ti­ger Aus­gangs­ort für die Ent­wick­lung der baro­cken Skulp­tur in Mit­tel­deutsch­land nach dem Ende des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieges wurde das erz­ge­bir­gi­sche Schnee­berg: Hier gelang es den Bild­hau­ern der Fami­lien Böhm und Petzold auch in den Jahren des Krieges ihre Arbeit fort­zu­set­zen. Johann Böhm (†1667), seit 1625 als Meister in Schnee­berg nach­weis­bar, hin­ter­ließ Werke unter anderem in ►Schnee­berg (Hei­mat­mu­seum), ►Zwickau (Dom, mehrere Epi­ta­phien unter anderem von Bose, 1637/57), ►Wol­ken­burg (Epitaph-Altar, 1657), ►Schleiz (Herr­schafts­loge, 1658) und ►Ehren­hain (Altar und Herr­schafts­loge, um 1655/60). Sein Sohn Johann Hein­rich Böhm d. Ä. (†1680) wurde 1672 zum säch­si­schen Hof­bild­hauer ernannt und starb in der neu­ge­schaf­fe­nen her­zog­li­chen Resi­denz Wei­ßen­fels. Er bildete mehrere wich­tige Bild­hauer der nächs­ten Gene­ra­tion aus und hin­ter­ließ Werke unter anderem in Zwickau, Zerbst und ►Wei­ßen­fels (Altar der Schloss­ka­pelle, ab 1678). Johann (II) Petzold (1617–1659) arbei­tete 1645/49 an den mit Reliefs und Orna­men­ten reich geschmück­ten ►Herr­schafts­stüh­len und der Fürs­ten­loge in der Schloss­ka­pelle in Alten­burg. Weitere Bild­hauer dieser Schnee­ber­ger Künst­ler­fa­mi­lie waren in der 2. Hälfte des 17. Jahr­hun­derts in Sachsen, Thü­rin­gen und Schle­sien tätig.


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